0724 - Der Stasi-Vampir
nicht verfolgen. Schließlich hatte er mir einen wertvollen Tip gegeben. Was seine Vergangenheit anging und wie er sie mit seiner jetzigen Tätigkeit vereinbaren konnte, ging mich nichts an. Das war einzig und allein Sache der Deutschen.
Ich schaute ihm nach. Eine dunkle Gestalt, die in den Dunst hineintauchte und von einem Schleier umgeben wurde. Durch die weichen Gummisohlen waren seine Schritte nicht zu hören. Manchmal sah er aus, als würde er über dem nassen Boden schweben.
Ich wollte ihm einen so großen Vorsprung lassen, bis ich ihn nicht mehr sah.
Das gelang nicht.
Plötzlich zuckte er zusammen. Er blieb für einen Moment stehen, taumelte dann weiter, kippte nach vorn - und konnte sich nicht mehr auf den Beinen halten.
Schwer fiel er zu Boden.
Ich aber startete. Aus seinen Bewegungen hatte ich herausgefunden, was mit ihm geschehen war.
Auf Erich Meier war geschossen worden. Und zwar aus einer Waffe mit aufgesetztem Schalldämpfer.
Er hatte recht behalten.
Seine Verfolger waren da!
***
Ich beging nicht den Fehler, wie ein Irrer loszurennen und in eine Kugel hineinzulaufen. Der heimtückische Schütze mußte links vor der leblosen Gestalt irgendwo in der grauen Finsternis verborgen bleiben.
Zwar bewegte ich mich auf den Stasi-Mann zu, aber ich schlug dabei einen kleinen Bogen und war, nachdem ich den Schutz des Wellblechdaches verlassen hatte, auf einen aus Metall bestehenden Abfallberg zugehuscht, der so hoch war, daß er mir eine ausgezeichnete Deckung bot.
Da kauerte ich mich hin.
Die feinen Regentropfen sprühten mir ins Gesicht. Ich roch auch das rostige Metall. Es strömte einen bestimmten Geruch ab, der unangenehm in meiner Nase kitzelte.
Erich Meier lag noch immer völlig regungslos auf der nassen Erde. Ich mußte davon ausgehen, daß es ihn tödlich erwischt hatte, denn wer einen Mann wie ihn jagte, war bestimmt kein Anfänger: Ich fragte mich nur, wo sich der heimtückische Schütze verborgen hielt? Deckung gab es auf diesem Gelände genug. Nichts war aufgeräumt worden, überall lagen Dinge herum, die man bewußt vergessen hatte, so daß mich das Gelände schon an ein Freilichtmuseum erinnerte.
Ferner ging ich davon aus, daß er Meier unter Kontrolle gehabt hatte. Also mußte er auch wissen, mit wem sich der Agent getroffen hatte.
Ich war demnach ein Zeuge, und Typen wie dieser Killer konnten Zeugen nicht gebrauchen.
Daß er sich nicht davon überzeugen würde, ob der Mann auch tot war, daran glaubte ich nicht. Er würde irgendwann erscheinen und nachschauen. Das war dann meine Sekunde.
Noch rührte sich nichts.
Ich hörte die Geräusche aus dem Bereich, wo noch gearbeitet wurde Man schuftete unter dem Schein der kalten Leuchtstofflampen, deren Widerschein gegen den düsteren Himmel stieß und dort ein großes bleiches Tuch hinterließ.
Ich schaute auf die Uhr.
Waren zwei oder drei Minuten verstrichen? Ich wußte es nicht, doch die Zeit wurde mir allmählich lang. Ich dachte bereits darüber nach, wie ich den Mordschützen aus seinem Versteck locken konnte.
Das Nachdenken konnte ich mir sparen, denn plötzlich war der Unbekannte da.
Ich hatte nicht einmal sehen können, wo er lauerte, ich sah ihn als dunkle Gestalt quer über den Platz huschen und dorthin laufen, wo Erich Meier lag.
Neben ihm ging er in die Hocke.
Himmel, wie sicher fühlte er sich denn? Er mußte doch wissen, daß es noch eine zweite Person gab.
Das hatte ich noch nicht erlebt. Auch als ich mich hochdrückte, blieb seine Haltung gleich, denn er drehte mir nach wir vor seinen breiten Rücken zu.
Ich lief auf ihn zu. Nicht sehr schnell, aber auch nicht langsam, und war dabei bemüht, so wenig Geräusche wie möglich zu verursachen, um den Kerl nur nicht zu warnen.
Er hörte mich trotzdem.
Ob er eine Waffe in der Hand hielt, wußte ich nicht. Ich richtete mich nur darauf ein und blieb in dem Augenblick stehen, als er sich bewegte und sich zu mir herumdrehte.
Ich zielte auf ihn.
Aber ich sah nur sein Gesicht unter dem langen, dunklen Haar. Nur dieses bleiche Oval, das verzerrt war, in dem der Mund offenstand, so daß ich die beiden spitzen Vampirzähne genau erkennen konnte…
***
Der neue Tag war nicht besser gewesen als der letzte, ebenso grau und trübe. Aber es war nicht finster wie in der Nacht, keine Zeit für Vampire, die Geschöpfe der Dunkelheit, und deshalb fühlte sich Helmut Stoßflug auch sicherer, als er sein altes Fahrrad aus dem Keller holte und in den Sattel stieg.
Er hatte zwar noch
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