0728 - Jahrtausendschläfer
die Gegenwart verstehen kann, sondern als willkommenes Propagandainstrument, mit dem man seinen eigenen Werdegang glorifizieren kann.
Daher zweifelten wir allmählich auch immer stärker daran, daß wirklich 50.000 Jahre seit unserem letzten Erwachen vergangen waren. Vielleicht waren es nur 5000? Niemand konnte das heute noch mit letzter Gewißheit feststellen. Die barbarischen Diktatoren hatten alles beseitigt und zerstört, was ihrem selbstproduzierten Geschichtsbild nicht entsprach.
Dabei hatte man offenbar den technischen Fortschritt beträchtlich aufgehalten, ihn vielleicht sogar für lange Zeiten zurückgedrängt.
Trelw verschloß sämtliche Schotte des Schiffes, während Wans die Beobachtungs- und Kommunikationssysteme durchging.
Wir mußten wissen, wer sich noch alles an Bord aufhielt, und was gegen uns unternommen werden konnte.
Pewwo unternahm es, die Offiziere aus der Zentrale zu vertreiben. Wir hatten uns entschlossen, sie einfach mitzunehmen. Das war weniger riskant, als die Schleusen zu öffnen und die Männer hinauszutreiben.
Ich schaltete die Hauptbildschirme ein.
Der Raumhafen hatte sich in eine Art Heerlager verwandelt. Er war vollkommen von Zivilisten geräumt worden. Panzergleiter, Raketenwerfer und Energiestrahler größten Kalibers waren aufgezogen und umringten uns.
Ich lächelte kalt. Wen hoffte Arautymen damit zu beeindrucken?
Doch wohl nicht mich?
Als ich ein violettes Licht aufleuchten sah, drückte ich eine Taste. Ein großer, ovaler Bildschirm vor mir erhellte sich. Das absolut dreidimensionale Bild des Diktators entstand vor mir. Es glich der mordlüsternen Fratze eines Püoths mehr denn je.
Arautymen kochte vor Wut.
„Wenn Sie es wagen zu starten, Olw, dann lasse ich die RATY abschießen!" brüllte er.
Ich lachte ihm ins Gesicht.
„Trelw", sagte ich gelassen. „Du hast es gehört. Nimm den Diktator beim Wort. Gib ihm Gelegenheit, seine Waffen einzusetzen."
„Olw, hören Sie. Sie werden der dritte Mann in unserem Bunde sein", rief Arautymen. „Sie werden die Zukunft formen und bestimmen können, wenn Sie jetzt vernünftig sind."
Ich gab Trelw, unserem Piloten, ein Zeichen. Auf dem Bildschirm konnte ich sehen, daß die Panzer und Geschütze den Rückzug antraten, als die sonnenheißen Abgase aus den Abstrahldüsen der RATY rasten.
Arautymens Gesicht schien innerhalb kürzester Zeit um Jahre zu altern. Seine Augen verfärbten sich rot, und die Wangen sanken ein. Eine Hand erschien im Projektionsfeld. Die Fingerspitzen zitterten. Der Diktator war am Ende. Er hatte das Spiel verloren, und er wußte es. Ich triumphierte.
Die RATY startete. Mit starker Beschleunigung stieg sie auf.
„Das werden Sie bereuen, Olw", sagte der Diktator. „Bis jetzt habe ich Sie beschützt, aber das kann ich nun nicht mehr."
„Sie müssen sogar", entgegnete ich überzeugt. „Sie können nicht ohne uns Spezialisten der Nacht leben."
„Züchtungen", schrie er voller Verachtung.
„Meinen Sie wirklich?"
Er war unsicher. Er konnte nicht wissen, daß er recht hatte. Es gab keine zuverlässigen Unterlagen über unsere Vergangenheit.
Oder doch? Sollte irgendwo auf Grojocko noch ein Geheimarchiv existieren, in dem es Unterlagen über den wirklichen Verlauf der Geschichte gab?
Er konnte uns nicht halten. Die RATY erreichte den freien Raum und stieß ins All vor, ohne daß ein einziger Schuß gefallen wäre.
Greiko
Erst als ich das Schwarze Nichts vor uns sah, fühlte ich mich wirklich wieder heimisch. Das Schwarze Loch hatte sich nicht verändert. Es mochte das einzig Unvergängliche in diesem eigenartigen Sammelbecken zwischen den Dimensionen sein.
Py legte mir ihre Hand auf den Arm, als die RATY mit annähernder Lichtgeschwindigkeit auf die Dimensionsschleuse zuraste. Sie mochte meine Gedanken erraten haben.
„Wie mag das mit uns sein, Ofw?" fragte sie. „Sind wir unsterblich?"
„Ich weiß es nicht, Py", antwortete ich zögernd. „Ich kann es mir nicht vorstellen. Wer sind wir denn? Zgmahkonen, die in der Retorte entstanden sind und daher über einige besondere Eigenschaften verfügen.
Das erhebt uns aber noch nicht über andere. Unsterblich kann nur einer sein. Auch wir sind vergänglich. Irgendwann einmal muß auch uns die Zeit einholen. Es wäre wohl vermessen, wenn wir uns an seine Seite stellen wollten und uns gleichrangig mit ihm fühlen würden."
„Natürlich. Du hast recht", erwiderte sie demütig. „Ich meinte es jedoch anders. Glaubst du, daß sie nur
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