0730 - Der unheimliche Todesengel
selbst von jedem Bild ausgeatmet zu werden.
Langsam ging Suko auf die Wohnungstür zu. Er hörte hinter sich Janinas schnelle Schritte. Sie erreichte ihn, als er die Hand auf die schwere Klinke gelegt hatte.
Mit beiden Armen umfaßte sie ihn. »Danke«, flüsterte sie. »Danke für alles.«
»Keine Ursache. Es war meine Pflicht. Viele hätten sich verhalten wie ich.«
»Das glaube ich Ihnen nicht, Suko.«
Er strich mit zwei Fingern über ihre Wange. »Passen Sie auf sich auf, Janina.«
»Ja, das mache ich.«
Suko öffnete die Tür. »Wir bleiben in Verbindung. Vielleicht rufe ich morgen an.«
»Ich freue mich.«
Suko verließ den Flur. Im Treppenhaus ging er sehr nachdenklich die Stufen hinab.
Er konnte den Grund nicht sagen, aber er hatte das Gefühl, einen Fehler begangen zu haben, der sich hoffentlich noch korrigieren ließ…
***
Janina Ferry schloß leise die Tür. Für einen Moment schaute sie nachdenklich zu Boden. Auch sie dachte darüber nach, ob sie nicht einen Fehler begangen hatte. Vielleicht hätte sie das Angebot des Mannes doch annehmen sollen und…
Schritte unterbrachen ihre Gedanken. Aus den Geräuschen hörte sie, daß Juana kam.
Sie drehte sich um.
Die ältere Frau lächelte sie an. Sie hatte sogar ihren Mund mit Lippenstift nachgezogen. Jetzt stand er halboffen, und die Frau kam Janina vor wie eine frisch geschminkte Leiche. So hatte sie früher nie gedacht, doch diese Nacht hatte einiges verändert.
»Kommst du?«
»Ja, natürlich.«
Juana war besorgt um sie. Sie ergriff ihren Arm in Höhe des Ellbogens. »Es tut mir ja so leid«, erklärte sie mit salbungsvoller Stimme, »daß du gelitten hast. Dein Alptraum muß wirklich schrecklich gewesen sein.«
Es war kein Alptraum, hatte sie sagen wollen, biß sich aber im letzten Moment auf die Lippen und stimmte der Frau zu. »Ja, er war grauenhaft.«
»Warum hast du uns nicht Bescheid gesagt? Wir hätten dir bestimmt helfen können.«
»Da hast du recht. Aber ich war durchgedreht. Ich bin einfach weggelaufen. In dem Augenblick wußte ich nicht mehr, was ich tat. Ich war völlig durcheinander. Die Gestalt, sie… sie…«
»Reden wir nicht mehr davon«, sagte Juana und öffnete die Tür zum Wohnraum. »Jaime hat sogar das Feuer im Kamin angezündet. Du sollst es gemütlich haben und nicht mehr frieren.«
»Das ist nett.« Sie sprach völlig emotionslos, weil sie mit ihren Gedanken woanders war.
Jaime stand neben dem Kamin. Er wirkte wie ein Zwerg, der vom Widerschein der Flammen umspielt wurde und so aussah, als wollte er jeden Moment zerfließen. Er rieb seine Hände. Es gab ein Geräusch, als würde Papier zerrieben. Sein Lächeln war breit und wirkte unnatürlich. Auch er paßte, ebenso wie seine Frau, in diese Einrichtung. Das Wohnzimmer zeigte eine beachtliche Größe, aber es war mit allem möglichen Plunder vollgestopft worden, als wollten die Viracochas den Raum zu einem Laden für Trödel machen.
In der Tat war nichts Modernes zu sehen. Alte Sessel, noch eine große Couch dazu, Tische mit Vasen und Lampen darauf. Gehäkelte Decken, kleine Figuren, die Wände voller Bilder und alter Fotografien, hinzu kamen die Pflanzen, die mit ihren langen Armen aus den Töpfen wuchsen und mit einem Zeug besprayt worden waren, das einen frischen Geruch verbreiten sollte.
Es glich schon einem Wunder, das auf dem mit geschnörkelten Füßen versehenen Tisch noch Platz für die Teekanne nebst Tassen war und die mit Gebäck gefüllte Schale.
Juana wollte Janina zu ihrem Platz führen, aber die war schneller. Janina wollte sich nicht von der Frau anfassen lassen, setzte sich hin und konnte auf das Feuer schauen, dessen Flammen ihr Wärme entgegenschlugen. Die Fenster konnte sie nicht sehen, das Ehepaar hatte die schweren, goldgrünen Brokatvorhänge zugezogen.
Auch Juana setzte sich, während ihr Mann nahe des Kamins stehenblieb. Noch immer zuckte ein Muster über seine Gestalt. Er sah fast so aus wie ein Zwerg aus irgendeiner Legende.
Janina hatte gehofft, daß es nicht geschehen würde, aber die Vermieterin setzte sich so dicht neben sie, daß die Studentin den alten Geruch wahrnahm, der aus der Kleidung strömte. Sie schüttelte sich, was Juana aber nicht auffiel.
Sie schenkte den Tee ein. »Er wird dir guttun und dich den Schrecken vergessen lassen.«
»Danke.«
»Warum sagst du das? Es ist doch selbstverständlich.« Juana drehte ihr den Kopf zu und schaute sie an. Das Licht des Feuers erreichte auch die Brillengläser und ließ
Weitere Kostenlose Bücher