0730 - Der unheimliche Todesengel
des Zimmers begrenzt. Er hätte nie gedacht, ein derartiges Motiv in einem normalen Raum regelrecht erleben zu können, aber hier waren Alpträume realisiert worden, denn die Bemalung bestand aus mehreren Motiven, die sich allerdings zu einem düsteren vereinten, was wiederum den Mittelpunkt des Gemäldes bildete.
Graue, rote und violette Farbtöne herrschten vor. Dazwischen ein schmutziges Gelb, wenn die Kleidung der Gestalten angedeutet wurde. Zumeist waren es weite Mäntel oder Umhänge, die bewaffnete Krieger über ihren Rüstungen oder Körper geschlungen hatten.
Suko konzentrierte sich auf die Gesichter.
Sie waren alle verzerrt, von einem wilden Kampfeswillen gezeichnet. Doch er sah nicht nur die Krieger, sondern auch andere Gestalten, die im Hintergrund lauerten, als warteten sie darauf, in den Kampf einzugreifen. Diese Hintergrund-Gestalten glichen ätherischen Wesen, waren heller gezeichnet, damit sie sich von den dunklen Wolken abhoben, in denen sie sich befanden. Das konnten durchaus Engel sein, aber sie waren nichts im Vergleich zu dem Mittelpunkt des Bildes, der von einer einzigen, düsteren und kriegerisch wirkenden Gestalt beherrscht wurde.
Es war eigentlich nur ein Schatten mit zwei Augen. Ein böses Etwas, das von den anderen Motiven nicht getrennt war, sondern über ihnen schwebte und sich integriert hatte.
Es sah so aus, als würde dieser Schatten das gesamte Motiv beherrschen, die Krieger ebenso wie die im Hintergrund angedeuteten engelhaften Wesen.
Als Suko den Kopf wieder senkte, drehte er ihn auch, um Janina anschauen zu können.
Sie verstand seinen Blick. Sie bebte wieder, deutete in die Höhe und flüsterte: »Er war es.«
»Der Düstere dort?«
»Ja, das ist der Schatten gewesen, der mich verfolgt hat. Er hat sich von der Decke gelöst. Und jetzt will ich Ihnen noch etwas zeigen. Schauen Sie her.« Sie drehte die Hand, damit der Rücken nach oben lag. »Können Sie den Fleck erkennen?«
»Ja.«
»Wissen Sie, was das ist?«
»Nein, aber Sie werden es mir gleich sagen.«
Janina nickte. Dann flüsterte sie, als würde ihre Stimme jeden Augenblick ersticken. »Das ist Blut…«
Suko reagierte nicht.
»Das ist Blut«, wiederholte sie. »Eingetrocknetes Blut. Ich… ich habe es hier erlebt. Es fiel von der Decke und erwischte mich genau auf dem Handrücken.«
Suko schaute sie nur an. Danach hob er den Blick und richtete ihn gegen das Gemälde.
Nichts war zu sehen oder hatte sich verändert. Es war eigentlich unmöglich, daß Blut aus der Decke tropfte und ausgerechnet die Hand der jungen Frau erwischte.
Über allem schwebte der Schatten. Wieder dachte Suko an die huschende Bewegung in der Einfahrt.
Sollte das tatsächlich der Schatten gewesen sein? War es möglich, daß er sich löste?
Der Inspektor hatte schon viel in seiner langen Laufbahn erlebt. Es gab Tatsachen, die mit dem menschlichen Verstand nicht zu erfassen waren. Lebende Schatten waren ebenso möglich wie geheimnisvolle oder von einem dämonischen Leben erfüllte Gemälde oder Spiegel, die unter dem Druck des Teufels entstanden waren.
»Ich habe Angst«, flüsterte Janina. »Ich habe fürchterliche Angst, glauben Sie mir…«
Wie sie das sagte, ließ bei Suko einen Schauer entstehen, der nicht mehr weichen wollte. Er nickte, ging aber bewußt nicht auf ihre Worte ein, sondern bückte sich und fing damit an, den Fußboden des Zimmers zu untersuchen.
Er wollte das Blut finden, weil er sich einfach nicht vorstellen konnte, daß nur ein Tropfen aus der Decke gefallen war. Außerdem - konnte ein Schatten bluten?
Um besser sehen zu können, holte er die Lampe hervor. Auf dem grauen Teppichboden schien selbst das starke Licht der Halogenleuchte zu versickern. Er bewegte sich lautlos und zog seine Kreise.
Janina war bis nahe der Tür zurückgewichen, als wollte sie ihn nur aus einer sicheren Entfernung beobachten. Vom Flur her hörten sie die schwachen Stimmen. Das Ehepaar Viracocha unterhielt sich leise. Keiner der beiden betrat allerdings das Zimmer.
Plötzlich blieb Suko stehen. Er hatte die Flecken entdeckt. Drei zeichneten sich schwach auf dem Grau des Teppichs ab. Sie waren nur schwer zu erkennen gewesen, weil der tiefe Flor die meiste Flüssigkeit in sich aufgesaugt und so ein wenig versteckt hatte.
Also doch!
Er kniete nieder. Mit der Fingerspitze fuhr er über einen Fleck. Er war noch feucht. Als er seinen Finger im Licht der Lampe untersuchte, sah er auch die Rötung.
Durch die Nase holte er Luft und
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