0731 - Die Blüten-Bestie
aber nicht mehr. Bevor er noch einmal zuschlagen konnte, brach er im Kugelhagel zusammen. Es muß schlimm gewesen sein. Die Toten lagen in einem Meer von Blüten, die eine ähnlich rote Farbe aufwiesen wie das Blut der Menschen.«
»Dann wurde Doro Mainland bei Ihnen eingeliefert?«
»So ist es. Und sie blieb zweiundzwanzig Jahre im- Koma.« Er lehnte sich zurück und atmete tief ein. »Es muß da etwas geschehen sein, Mr. Sinclair. Ich weiß auch nicht wann und wo. Ob vor dem Koma oder danach. Jedenfalls ist da einiges nicht mit rechten Dingen zugegangen. So erwacht niemand.«
»Wenn Sie das sagen, Doktor.«
»Das hört sich aber skeptisch an.«
»Stimmt.«
»Glauben Sie mir nicht?«
»Das hat damit nichts zu tun. Ich möchte Sie nun fragen, was ich Ihrer Meinung nach unternehmen soll.«
»Ganz einfach. Kommen Sie bitte mit mir. Wir gehen gemeinsam zu ihr. Schauen Sie sich Dorothy Mainland an, sagen Sie mir Ihre Meinung. Führen Sie meinetwegen irgendwelche Tests durch. Ich möchte so etwas wie eine Gewißheit darüber haben, daß ich mich in diesem Fall nicht getäuscht habe. Ich habe die Grenze erreicht. Die Medizin kann da nicht weiterhelfen. Da muß irgend etwas passiert sein, über das ich nichts sagen kann, weil es einfach keine logische Erklärung gibt.«
Ich lächelte. »Sie haben mich überzeugt.«
»Danke.« Es klang erleichtert, und ehrlich. Mit einem Taschentuch tupfte der Arzt über seine Stirn.
»Ich habe noch nichts nach außen dringen lassen. Die Presse hat damals viel Wirbel veranstaltet. Wenn die Reporter jetzt erfahren, daß Dorothy Mainland wieder aus dem Koma erwacht ist, werden sie sich auf sie stürzen.«
»Das ist zu befürchten.«
»Dann wäre es sinnvoll, der Öffentlichkeit nichts mitzuteilen.«
»Ich will es versuchen.«
Der Arzt winkte der Bedienung, die ein schwarzes, enges Minikleid und eine weiße Schürze trug. Er übernahm die Rechnung und leerte sein Glas. Er holte seinen Mantel und bat mich, hinter ihm herzufahren.
Wir hatten uns in der Nähe des Krankenhauses getroffen. Knapp zehn Minuten Fahrzeit standen uns bevor.
Es war bereits dunkel geworden. Für Januar war es ziemlich warm, aber das sollte sich ändern. Ich machte mir meine Gedanken über den Fall und kramte tief in meinem Gedächtnis.
Diese Gurus und selbsternannten Götter tauchten immer wieder auf. Es waren vor allen Dingen Jugendliche, die sie in ihren Bann schlugen. Immer und immer wieder liefen sie ihnen nach. Auch heute noch, wo es die Blumenkinder und die Sehnsucht, in das gelobte Land Indien zu gelangen, nicht mehr gab.
Dafür hatten sich andere Gruppen und Sekten etabliert, und sie waren nicht weniger schlimm. Nur arbeiteten sie mit noch raffinierteren Methoden als damals die Vereinigungen.
Das Krankenhaus lag inmitten eines Grüngeländes. Wir rollten durch den kleinen Park, und das Licht der Scheinwerfer strich über dicke Baumstämme hinweg, die dann einen bleichen Anstrich bekamen und aussahen wie Stückwerk, weil das meiste von der Dunkelheit verschluckt wurde.
Wir fuhren auf einen kleinen Parkplatz für das Klinikpersonal. Lampen erhellten den Asphalt.
Als ich ausstieg, fiel mein Blick auf die hohe Front des Krankenhauses mit ihren zahlreichen hellen Fenstern. Sie sahen aus wie scharf geschnittene Löcher.
Dr. Fairmont kam zu mir. Er hatte die Hände in den Manteltaschen vergraben. Vor seinen Lippen wehte der Atem wie Nebelstreifen. Er nickte mir zu und zeigte auf die erleuchteten Hinweisschilder, die allesamt den Weg zum Haupteingang wiesen. »Den nehmen wir nicht. Ich habe mich für einen Seiteneingang entschlossen. Oder macht es Ihnen etwas aus?«
»Um Himmels willen, nein, Sie kennen sich hier aus.«
»Was heißt schon auskennen?« murmelte er. »Nach diesem Fall fange ich an, daran zu zweifeln.«
»Woran?«
»An mir selbst.«
Ich hörte das Geräusch meiner Schritte auf dem Kies. »Das sollten Sie nicht, Doktor. Selbstzweifel können der Anfang vom Ende sein und Sie in eine negative Phase führen.«
»Man kann sich damit jedoch auch selbst regenerieren.«
»Das ist auch möglich. Nur ist es dann schwerer, den richtigen Weg zu finden.«
»Wir werden sehen.«
Der Seiteneingang war schmal. Eine über ihm hängende Kamera überwachte ihn mit ihrem kalten Auge. Der Arzt drückte eine Klingel und schaute gleichzeitig in die Kamera. Schon nach kurzer Zeit ertönte ein Summer. Die Tür konnte aufgedrückt werden.
Ein schmaler Flur, in dem es nach Desinfektionsmitteln roch. Ein
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