0732 - Schattenreiter
konnte.
Auch Bill war das Grinsen vergangen. Er schob sich selbst etwas zurück, damit ihn die Sessellehne stützte. Dann drehte er vorsichtig den Kopf nach links.
Er sah den Toten!
»O verdammt.« keuchte er.
»Ist das Perry Lane?« fragte ich.
»Wer sonst?«
»Da müssen einige Fragen beantwortet werden.«
»Kannst du wohl sagen«, flüsterte Bill. Er schauderte zusammen. Die bleiche Leiche war kein erfreulicher Anblick. »Es hat ihn also doch erwischt. Er ist zu spät gekommen, aber das war vorauszusehen, nach allem, was geschehen ist.«
»Was denn?«
Bill verzog den Mund. Es war kein Lächeln und auch kein Grinsen. »Das ist eine etwas längere Geschichte.«
»Die ich wissen muß.«
»Natürlich.«
»Aber nicht jetzt«, sagte Sheila, die zurückgekehrt war und die letzten Worte gehört hatte. »Das wirst du jetzt trinken, Bill.« Sie hielt ihm ein Glas Wasser entgegen, in dem sich die Tabletten bereits gelöst hatten. Die letzten Reste schwammen wie kleine Platten auf dem Glasboden.
Sie half ihm beim Trinken. Ich hatte hier nichts mehr zu tun. Natürlich mußte der Tote abgeholt werden, das wollte ich später in die Wege leiten. Andere Dinge waren jetzt wichtiger.
Ich verließ das Gästezimmer. Wenig später fand ich mich im Wohnraum der Conollys wieder. Dort befand sich auch der gut bestückte Barschrank, aus dem ich mir einen alten Cognac aussuchte und ihn in einen Schwenker rinnen ließ.
Mit dem Glas in der Hand wanderte ich hin und her, trank hin und wieder einen Schluck, zündete mir auch eine Zigarette an und behielt besonders das Fenster im Auge.
Die Conollys hatten im Kamin Feuer gemacht. Die Flammen vollführten ihre zuckenden Tänze, und der Widerschein ihrer gelbroten Arme sowie sie selbst malten sich in der großen Scheibe ab, hinter der ein wunderschöner Garten lag. Die Scheibe konnte automatisch versenkt werden.
Es gab auch eine Glastür, die ich von Hand öffnen konnte. Vor der Tür blieb ich stehen. Ich sah in den Garten und gleichzeitig auf die zuckenden Flammen. Den Pool deckten die Conollys im Winter ab. Auf den Holzplatten lag eine feuchte Schicht. Blätter klebten noch daran. Sie waren alt und braun. Laub vom vergangenen Jahr, das immer wieder mal durch einen heftigen Wind in die Höhe gewirbelt wurde.
Die Conollys wohnten in einer sehr ruhigen Gegend. Von den Nachbarhäusern war kaum etwas zu sehen. Zudem versteckten sie sich auf großen Grundstücken, die von hohen und dichten Hecken umgeben waren.
Im Garten bewegte sich etwas.
Zuerst dachte ich an die Flammen auf der Scheibe. Dann schaute ich genauer hin und stellte fest, daß es diese Bewegungen tatsächlich im Garten gab und sie keine Täuschung waren.
Wer hielt sich dort auf?
Ich dachte sofort an die Schatten. Schon jetzt konnte ich mir vorstellen, daß derjenige kein Geräusch hinterließ, wenn er von einem Ort zum anderen huschte.
Ich stellte den Schwenker zur Seite, drückte auch die Zigarette aus, dann öffnete ich die Tür an der Seite.
Zunächst strömte mir die feuchtkalte Luft entgegen. Ich sah den Atem vor meinen Lippen, hob das rechte Bein an und ging nach draußen, wo mir der klamme Geruch von Regen und feuchtem Laub in die Nase drang.
Es war still.
Ich zog die Tür hinter mir zu, daß sie einrastete, aber von außen zu öffnen war.
Dann trat ich aus dem Lichtschein der ersten Lampe und verschmolz mit der Finsternis.
Es war nicht völlig still. Der Wind bewegte die Zweige, er spielte mit noch vorhandenen Blättern.
Er sorgte dafür, daß sie sich schüttelten und so ihre noch auf ihnen liegenden Regentropfen verließen. Hier und da pitschten sie zu Boden.
Ich lief direkt auf den abgedeckten Pool zu. Nicht weit davon entfernt hatte ich die düsteren Bewegungen gesehen und konnte mir vorstellen, daß die Schatten dort noch lauerten.
Aber welche Schatten? Lebende? Boten aus irgendeiner Welt? Es gab sogar konkret die Welt der Schatten, denn über die herrschte ein mächtiger Dämon, der Spuk.
Warum war er mir nicht früher eingefallen? Ich hatte lange nichts mehr von ihm gehört, auch keinen Kontakt mit ihm gehabt, aber es gab ihn, und es würde ihn auch noch weiterhin geben.
Die Gewächse, bei Tageslicht und Sonnenschein wohl voneinander getrennt, wuchsen in der Dunkelheit zusammen und präsentierten sich mir als dichte Masse, von der etwas Unheimliches ausging.
Für mich war der Garten zwar äußerlich noch normal, doch hinter der Fassade lauerte etwas, das ich nicht so leicht fassen konnte.
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