0732 - Schattenreiter
Es war zu glatt, kaum zu erklären, möglicherweise nicht zu begreifen.
Man belauerte das Haus, man belauerte die Conollys, man belauerte jetzt auch mich.
Am Rand des Pools blieb ich stehen. Der feuchte Wind wehte in mein Gesicht. Ich roch die Nässe stärker, ich schaute über die glatte Holzfläche, wo diesmal kein Schatten zu sehen war.
Ich stand regungslos.
Etwas kroch über meinen Rücken wie mit Spinnenbeinen. Unwillkürlich tastete ich dorthin, wo sich unter der Kleidung mein Kreuz befand, aber es sandte keinerlei Signale aus.
Hatte Lane nicht von Schattenreitern gesprochen?
Möglich, aber die sah ich nicht. Ich wollte es genau wissen, weil ich einfach auf mein Gefühl hörte.
Ich hätte den Pool umrunden können, darauf verzichtete ich und ging direkt über ihn hinweg. Meine Schritte hinterließen dumpfe Echos auf dem feucht gewordenen Holz. Nicht weit entfernt drängten sich Gewächse zusammen. Der Regen hatte die Blätter blank gewaschen. Manchmal glänzten sie auf wie matte Spiegel, wenn sie dabei in den Schein einer der Laternen gerieten.
Ich mied sie. Auf einem hellen Fleck zu stehen, war mir zu gefährlich. Dann wäre ich mir wie eine lebendige Zielscheibe vorgekommen.
Etwas raschelte in meiner Nähe. Das konnte durchaus ein Tier sein, eine Maus oder ein Eichhörnchen. Mir gefiel dieses Geräusch trotzdem nicht, und ich bekam eine Gänsehaut.
Noch auf dem Holz der Abdeckung stehend, nahm ich die Bewegung wahr. Direkt vor mir löste sich etwas aus der Finsternis, das ebenso dunkel war. Eine wuchtige, dennoch leicht wirkende Masse, die mir nicht einmal dreidimensional vorkam, mir aber trotzdem einen Schauer einjagte, denn sie drehte sich und verließ den rechten Winkel, den sie bisher zu mir gebildet hatte.
Im nächsten Moment raste sie auf mich zu, und ich erkannte, auf was ich mich da eingelassen hatte.
Es war ein Schatten mit rotglühenden Augen!
***
Im Unterbewußtsein nahm ich aus der Ferne noch ein schrilles Wiehern wahr, kümmerte mich gedanklich nicht darum, denn urplötzlich und völlig lautlos war der Schatten da.
Er kam über mich wie eine Welle, die durch nichts gestoppt werden konnte, und die Welt um mich herum verschwand.
Jetzt frißt er dich!
Dieser Gedanke wirbelte mir durch den Kopf. Nur war ich kein Mensch, der sich so leicht würde fressen oder schlucken lassen. Schon gar nicht von einem dämonischen Wesen, das dabei war, mein Leben und meine Kraft in sich aufzusaugen.
Es war schwer zu beschreiben, denn das Wissen darum vermittelten mir meine Gefühle.
Ich stand in der Kälte, in der Leere und auch in der absoluten Schwärze, als hätte mich der Spuk erwischt und in sein Reich gezogen, das sich aus den Schatten der Dämonenseelen bildete.
Ich spürte keine Schmerzen, aber ich fror. Es war keine winterliche Kälte, die mich umklammerte.
Eine andere, die aus einer unerklärbaren Tiefe zu mir gekommen war, hatte den Ring um meinen Körper gebildet.
Er drückte zu.
Ich wollte atmen.
Das schaffte ich auch, doch die Luft gelangte nicht hinein bis in meine Lungen.
Für einen Schattenkiller war ich mir zu schade und kämpfte, nachdem ich den ersten Schock überwunden hatte, dagegen an. Mit der Beretta konnte ich nichts erreichen, vielleicht mit dem Kreuz, das ich so schnell wie möglich freilegte. Dabei mußte ich die Kette über den Kopf streifen, eine im Prinzip glatte und sichere Bewegung, aber auch sie fiel mir in diesem Schattengefängnis nicht leicht, denn die Kälte fror meine Bewegungsfreiheit allmählich ein.
Ich schaffte es trotzdem, holte mit weit geöffneten Mund Luft. Dabei kam es mir vor, als würde ich den Schatten trinken oder schlucken.
Das Kreuz glänzte.
Auf einmal konnte ich es wieder sehen. Es strahlte allerdings einen dunklen Glanz ab. Vergleichbar mit einem grauen Schein, der auch bei einem bestimmten Sonnenuntergang entsteht, wenn sich die Masse der Wolken vorgeschoben hatte.
Die Angst war trotzdem nicht vorbei. In meiner Not wollte ich die Formel rufen, das konnte ich lassen, denn der Schatten war blitzschnell verschwunden.
Ich schaute in den normalen dunklen Garten, sah wieder die Umgebung, wie ich sie vor dem Auftauchen des Schattens erlebt hatte, drehte mich weg und hatte Glück, daß es die richtige Richtung gewesen war. Soeben noch konnte ich den Schatten sehen.
Er jagte an einer Laterne vorbei, hatte überhaupt keinen Kontakt mehr mit dem Boden und löschte das Licht der Laterne dabei aus. Der Schatten fraß es, das Licht war weg,
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