0734 - Dem Wahnsinn nahe
es eine sehr interessante Zieletappe. Wenn sie dort war, würde sie ihre Tat auch vollenden…
***
Hugo Westlake hatte in die Tasche gegriffen und holte einen Stein hervor. Ob er ihn in der Zwischenzeit geholt hatte oder ihn immer bei sich trug, wußte ich nicht. Jedenfalls hatte er ihn bei der Vorstellung nicht eingesetzt. Da war es ihm gelungen, seine Assistentin allein durch Augenkontakt zu hypnotisieren.
Der Stein hing an einer Kette, so wie es auch bei meinem Kreuz der Fall war. Er sah aus wie ein übergroßer Tropfen und schimmerte in einem kalten Gelb.
»Bernstein«, sagte der Illusionist. »Ein sehr geheimnisvolles und auch wunderbares Material. Man sagt dem Bernstein mystische und magische Kräfte nach. Stimmt es?«
»Ich hörte davon«, gab ich zurück.
Er bewegte den Stein im Licht. Der Tropfen war an bestimmten Stellen geschliffen. So wurde das auf ihn fallende Licht gebrochen und gleißte plötzlich auf, als hätten sich in dem Stein zahlreiche Lichter angezündet.
Da er ihn von einer Seite auf die andere schwenkte, fing das Licht an zu zucken und zu wandern, huschte auch durch mein Gesicht, berührte die Augen, blendete mich, so daß ich gezwungen war, nicht mehr hinzuschauen. Wenn er so vorging, würde er mich nie hypnotisieren können. Da brauchte er gar nicht erst anzufangen.
Das mußte ich ihm auch sagen. »Hören Sie, Mr. Westlake. Ich will mich normalerweise nicht in ihren Job einmischen, ich bin auch kein Hypnotiseur, aber ich kann mir vorstellen, daß wir zu keinem Erfolg gelangen. Wenn Sie den Stein bewegen, dann lenkt er mich ab, dann kann ich mich nicht konzentrieren. Dabei sollte doch wohl das Gegenteil der Fall sein, nicht wahr?«
»Sie haben recht, und Sie brauchen sich auch keine Sorgen zu machen. Es wird sich alles ändern.«
»Darf ich mal sehen?« fragte Suko.
»Bitte.«
Suko legte seine Hand unter den Stein. Er betrachtete ihn von verschiedenen Seiten, freute sich über das Licht, das auf seinen Flächen sprühte, ihn funkeln ließ wie ein fremdes Gestirn. Jeder einzelne Schliff schien das Licht mehrmals zu brechen und sich in seinem Funkeln von den anderen absetzen zu wollen.
»Woher haben Sie ihn?« fragte Suko.
»Es ist mein Geheimnis.«
»Und wie setzen Sie ihn ein?«
Westlake lächelte, als er den Stein an sich nahm und ihn betrachtete, als sähe er ihn zum erstenmal.
»Eigentlich setzte ich ihn nie ein«, flüsterte er. »Dieser Stein ist gewissermaßen meine Versicherung. Wenn ich es nicht durch den reinen Augen- und Stimmkontakt schaffe, jemand zu hypnotisieren, dann greife ich eben zum Stein.«
»Und das klappt immer?« fragte Suko.
»Natürlich.«
Der Inspektor wandte sich an mich. »Hast du gehört, Alter? Das klappt immer. Bin gespannt, ob das auch bei dir der Fall sein wird, aber ob du härter bist als Stein.«
»Das werden wir bald festgestellt haben.«
»Denke ich auch.«
Westlake wandte sich mir zu. »Sind Sie bereit, Mr. Sinclair, oder wollen Sie zuvor noch etwas sagen?«
»Nein, das würde nichts nutzen. Ich bin bereit, Mr. Westlake. Bitten fangen Sie an.«
»Ja, danke.«
Suko kam noch einmal zu mir. Er beugte sich über mich. Im grellen Licht erinnerte sein Kopf an eine strahlende Kugel. Er bewegte die Lippen und lächelte, doch Fröhlichkeit konnte ich auf seinem Mund nicht entdecken.
Er sorgte sich um mich.
»Wird schon klappen, Suko.«
»Ich weiß nicht, Alter. Du darfst nicht vergessen, daß du damit neues Gebiet betrittst. Das ist nicht so wie bei einer Zeitreise. Wenn du jetzt verschwindest, hast du dich aufgelöst und kannst nur hoffen, daß sich deine Atome wieder so zusammensetzen, wie sie einmal gewesen sind. Ich habe nämlich keine Lust, mit einem Monster zusammenzuarbeiten.«
»Ich auch nicht.«
»Dann sind wir uns ja einig.«
Er streckte mir seine Hand entgegen. Ich hob meine an. Unsere Handflächen schlugen zusammen.
Das dabei entstehende Klatschen war gewissermaßen der Abschiedsgruß.
Mein Freund drehte sich um, damit er Platz für Mister Mirakel schaffte. Ich hörte ihn weggehen und seine Trittgeräusche dann verstummen. Suko blieb im Hintergrund stehen. Er wollte auf keinen Fall die Arbeit des Illusionisten stören.
Westlake beugte sich vor. »Sind Sie bereit?« erkundigte er sich.
»Schon lange.«
»Darf ich Ihnen noch viel Glück wünschen?«
»Das gilt doch wohl für alle.«
»Ja, Sie haben recht. Stört es Sie, wenn ich Sie in folgender Zeit mit Vornamen anrede. Es ist besser, da zwischen dem Hypnotiseur
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