0738 - Luzifers furchtbares Erbe
könnten. Ja, das macht mir Angst.«
Mir ebenfalls, nur gab ich es nicht offen zu, um Jiri nicht noch mehr zu beunruhigen.
Ich warf einen Blick über die Schulter zurück auf Suko. Er hätte sich bequem hinsetzen können, schließlich war Platz genug vorhanden. Das hatte er nicht getan. Suko saß ziemlich angespannt im Fond. Er hatte viel von seiner früheren Gelassenheit verloren, die ihn einmal so ausgezeichnet und die ich auch bewundert hatte. Suko hatte sich der europäischen Mentalität sehr angeglichen.
»Haben Sie sich schon einmal gewünscht zu sterben, John?« fragte Jiri plötzlich.
»Nein.«
»Aber ich.« Er nickte heftig. »Manchmal war ich nahe dran, meinem Leben selbst ein Ende zu setzen, weil ich einfach nicht mehr wollte. Ich hatte keine Lust mehr, ich wollte so nicht weiterleben, es hatte nichts genutzt, ich war ziemlich am Ende, ich war sauer, ich stand dicht davor, einfach durchzudrehen.«
»Das kann ich sogar verstehen«, stimmte ich zu. »Was hat Sie letztendlich davon abgehalten, es nicht zu tun?«
»Rita!«
»Ach ja?«
»Der Gedanke an sie, daß es möglicherweise einen Menschen gibt, der auf mich wartet, der darauf hofft, daß ich zurückkehre und sie mitnehme.«
»Haben Sie das denn vor?«
Er hob die Schultern. »Ich… ich weiß es nicht genau. Verdammt, ich bin mir unschlüssig.«
»Kann ich mir vorstellen.«
»Es ist alles so schrecklich, wissen Sie? Ich fühle mich wie jemand, der zwischen zwei Stühlen sitzt und nur darauf wartet, daß jemand erscheint, der ihm den einen oder anderen Stuhl ganz wegzieht, so daß ich nichts mehr habe, keinen Halt, nichts…«
Ich verstand ihn. Die Zeit der Jagd hatte ihn verändert. Jiri konnte nicht mehr so reagieren wie ein normaler junger Mensch. Er wußte einfach zuviel, er hatte sie gesehen, ihm war bekannt, was diese Kreaturen vorhatten, und so etwas mußte einem Menschen einfach den Optimismus nehmen.
Der Straßenzustand verschlechterte sich. Wir waren talabwärts gefahren und mußten damit ein sehr feuchtes Gebiet erreicht haben, denn auf der grauen Fahrbahn lag eine dünne Schneeschicht, aber, was noch schlimmer war, darunter hatte sich Eis gebildet. Als dünner, bläulichgrau schimmernder Panzer lauerte es mit einer Tücke, die selbst für ein Fahrzeug mit Schneeketten gefährlich werden konnte.
Wir hatten zwar welche mitgenommen, aber noch nicht aufgezogen. Dementsprechend vorsichtig und behutsam mußte Jiri fahren und lenken. Er behandelte den Wagen fast wie einen Freund, er sprach sogar mit ihm, während wir über die verdeckte, heimtückische Eisplatte hinwegglitten, mal ins Rutschen gerieten, aber nie so gefährlich nahe an den Graben herankamen, daß wir in das Gelände geschleudert worden wären.
Wir schafften die Strecke.
Jiri Sabka atmete auf.
Wir ebenfalls.
Ich klatschte leisen Beifall.
Sabka winkte ab. »Hören Sie auf, John. Das war nichts, das war überhaupt nichts im Vergleich zu dem, was uns noch bevorsteht. Das war nicht mehr als ein Schmarren.«
»Wenn Sie das meinen.«
»Ja, so sehe ich das.«
»Und wie weit ungefähr haben wir noch zu fahren?« meldete sich Suko aus dem Fond.
»Eine gute Frage«, erwiderte Jiri. »Einige Meilen sind es schon noch. Im Sommer ist das alles kein Problem. Sagen wir mal so. Ich hoffe, daß wir Garsdale Head noch vor dem Dunkelwerden erreichen. So kurz vor Eintritt der Dämmerung.«
»Das wäre nicht schlecht«, stimmte ich zu.
»Dann drücken Sie uns die Daumen.«
Ich schaute jetzt mehr als gewöhnlich aus dem Fenster. Nicht etwa, weil mir die Landschaft so ungemein stark gefiel, nein, das hatte einen anderen Grund, denn ich ging jetzt mehr meinen Gefühlen nach. Ich tastete mich praktisch in die hügelige Umgebung vor, wo große Waldstücke wie eine Armee dunkler Skelette aus dem hellen Boden hervorragten und abweisend aussahen.
Die Umgebung hatte sich nicht verändert. Für mich war einzig und allein das Fluidum ein anderes geworden. Mit Worten war es nur schlecht zu erklären, hier schwebte etwas Unsichtbares im Unsichtbaren. Ich hatte den Eindruck, als würde ich dem Bösen immer näherkommen und tastete unwillkürlich nach meinem Kreuz.
Es hatte sich nicht erwärmt.
Diesmal trug ich es nicht unter einem Hemd, sondern unter einem petrolfarbenen Pullover. Eigentlich hätte ich einen schwarzen anziehen sollen. Diese Farbe wäre meiner Stimmung näher gekommen.
Die gefütterte Lederjacke lag im Fond auf der Bank, wo Suko saß und sich ebenfalls öfter àls
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