0739 - Teufelsträume
weiterloderte. Es war einfach wunderbar, dieses Feuer zu genießen. Sie freute sich darauf, sie freute sich immer mehr, und in ihre Augen trat ein ungewöhnlicher Glanz, der mit dem menschlichen Blick nichts mehr zu tun hatte.
Es war der Glanz der Hölle!
Etwas Uraltes, das seit Beginn der Zeit schon existierte, war dabei, sie umzukehren. Hatte von ihr Besitz ergriffen, war wie feuchter Moder, der das Blut ablöste.
Tausend unheilige, winzige Tiere krochen durch ihre Adern. Sie spürte, wie sich ihr Körper ausdehnte, sich wieder zurück entwickelte, neuere Formen annahm, sich wieder dehnte, sich schlangengleich über den Boden wand, so daß sie die zahlreichen Bäume aus der Froschperspektive erkennen konnte. Einen Moment später - sie stand immer noch auf dem Boden und berührte die beiden Steine - schwebte sie hoch über dieser Stelle und schaute auf sie hinab.
Von oben her blickte ein anderes Ich auf das vereiste Geäst und gegen die Lücke im Wald.
Dann sah sie alles von der Seite, aber über dem Boden schwebend. Von rechts, von links, wieder von unten, danach von oben. Das geschah in einem rasenden Wechsel, den ihr Gehirn so schnell nicht nachvollziehen konnte.
Sie stand noch auf dem Fleck, doch sie war gleichzeitig auch woanders. Sie war zu einer Person geworden, die nicht mehr einzuordnen war, die aber eine ungeheure Machtfülle in sich spürte.
Sie war voll, gefüllt mit der Schwarzen Energie, die zu Beginn der Zeiten entstanden war.
Ihre Fingerspitzen lösten sich vom Gestein der beiden Säulen, die Arme sanken nach unten.
Dann schaute sie nach vorn.
Vor ihr lag die Lichtung. Sie bestand aus einer einzigen Fläche aus Eis.
Und dieses Eis veränderte sich auf eine seltsame und unerklärliche Art und Weise.
Aus der Tiefe stieg etwas empor. Es drückte die Schatten weg, die noch auf und in dem Eis lagen, so daß eine glänzende Fläche genau vor ihr entstand, die immer heller wurde und sich allmählich in einen Spiegel verwandelte.
Rita sah sich.
Sie sah aus wie immer. Abgesehen von ihrem Gesicht, daß so kalt wirkte, als würde es nicht mehr durchblutet.
Das Gesicht schwamm in der Eisfläche.
Sekundenlang konnte Rita es betrachten, bis es sich plötzlich veränderte.
Die Haut fing an, Blasen zu werfen. Sie drückte sich hoch, der Mund blieb nicht mehr an derselben Stelle. Unter dem kalten Licht vereinzelt durch die Wolkenlücken blickender Sterne verwandelte sich die Person in ein furchtbares Monstrum und nahm allmählich das Aussehen des Dämons an, vor dem sie einmal von Jiri Sabka gerettet worden war.
Keine blonden Haare mehr, dafür eine schwarze Mähne, die lang in ihren Nacken hineinhing.
Schmerzen in den Knochen, den Gelenken. Sie bewegte ihre Hände und sah, daß sich ihre Fingernägel in dunkle Krallen verwandelt hatten, leicht gebogen waren und bereit, sehr schnell zuzuschlagen.
Es war kein Mund mehr, der sich da in ihrem Gesicht abzeichnete, dafür ein breites Maul, das noch mehr an Breite zunahm, wenn sie die Lippen zu einem bösen Grinsen verzog.
Die Nase bestand aus einem Knochen und breiten Nüstern. Die Stirn war hoch. Unter dem Jochbogen lagen die Augen tief in den Höhlen, als hätte sie versucht, sich vor dem sichtbaren Grauen in den Kopf zurückzuziehen.
Ein scheußliches Monstrum - so hätte es zumindest ein Beobachter empfinden müssen.
Sie selbst sah sich nicht so, denn sie war mit ihrem Aussehen einigermaßen zufrieden. Rita wußte genau, daß dies ein Beweis für die neue Kraft war, die jetzt in ihr steckte und sie auch leitete.
Es tat ihr einfach gut, dies zu sehen.
Sekundenlang betrachtete sie ihr Spiegelbild, bis es allmählich anfing zu zerfließen, als hätte jemand Wasser darüber gekippt. Heißes Wasser, damit die Eiskruste auftaute. Die Fläche verlief, aber es war nicht sie, die so zerrann, sondern eben das Gesicht der jungen Frau. Das mußte so sein, um den nötigen Platz zu schaffen, um das alte und echte entstehen lassen zu können.
Wangen, Kinn, Augen und Nase, alles kehrte zurück.
Alles?
Rita erschrak nicht, als sie ihre Haare sah. Sie nahm es einfach hin, daß sie nicht mehr blond, sondern schwarz waren.
Das einzige Zeichen ihrer Doppelexistenz, in der sie jetzt lebte.
Die Fläche bewegte sich nicht mehr. Klar und scharf zeigte sie ihr normales Spiegelbild. Sie fand sich mit dem schwarzen Haar zwar sehr fremd, dennoch war sie mit ihrem Aussehen zufrieden, und die Menschen in Garsdale Head würden sich wundern, wenn sie zurückkehrte. Sie
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