074 - Die mordenden Leichen
unheimlichen Ort wegziehen können, ehe der zweite Angriff erfolgte, dem sie diesmal zweifellos nicht mehr standhalten würden.
Er war kaum zwei Schritte auf die Gräber zugegangen, als er fühlte, daß etwas ihn aus dem Hintergrund beobachtete. Die Rettung Kennaways schien gleichbedeutend zu sein mit dem Tod.
Auch Chambers hatte den zusammengesunkenen Körper gesehen. Einen Augenblick stand er unentschlossen da, offenbar mit denselben Gedanken beschäftigt wie Fenner. Da tauchte der Mond wieder aus den Wolken, und sie sahen die fünf Gestalten, die im Schatten der hohen Eiben standen. Die fünf Augenpaare, die sie haßerfüllt beobachteten, glühten rot und furchterregend. Drei Männer und zwei Frauen, in der Tracht, wie sie vor dreihundert Jahren üblich war.
Der Warnung seines Freundes eingedenk zwang Fenner sich, nicht in jene Augen zu sehen, und versuchte statt dessen, durch sie hindurch auf die Zweige der Bäume zu schauen. Diese leblosen Dinger würden sicherlich keine Gefahr bedeuten können …
Er glaubte, den Verstand zu verlieren. Die winterlich entlaubten Zweige wanden sich, obwohl nicht der leiseste Lufthauch wehte.
Aus den Augenwinkeln sah er, wie Chambers versuchte, mit der Hand das Kreuzzeichen zu machen, doch dem Freund schien die Hand nicht zu gehorchen. Da schob sich eine dunkle Wolke vor den Mond. Als es endlich wieder hell wurde, standen die fünf Gestalten zwischen den Grabsteinen, wenige Schritte von Kennaways Körper entfernt.
Verzweifelt versuchte Fenner, seine Gedanken zu sammeln. Sein Gehirn wand und krümmte sich unter dem Zugriff der unheimlichen Kraft.
Die fünf Gestalten glitten weiter vorwärts, geräuschlos, mit unirdischen Bewegungen. Die drückende Stille wurde unerträglich.
Wie lange sie so dagestanden hatten, unfähig, sich zur Flucht zu wenden, konnte Fenner später nicht mehr sagen. Wieder gellte das Gelächter in seinen Ohren, dieses überlegene Gekicher jener Gestalten, die genau wußten, daß sie die Macht besaßen, die beiden Männer in Sekundenschnelle zu vernichten.
Weder der Knoblauch noch das Kruzifix, das Chambers verzweifelt vor sein Gesicht hielt, wirkten.
Da sagte Chambers plötzlich etwas mit klarer, lauter Stimme in einer fremden Sprache, die Fenner nicht verstehen konnte. Das Mondlicht schien auf einmal heller geworden. Etwas Helles, Blendendes, wirbelte über die fünf Gestalten. Fenner glaubte, dieses Helle wie Flammen an den Kreaturen lecken zu sehen. In seinen Ohren dröhnte es wie ferner Donner, dann folgte Stille.
Er öffnete mit einiger Anstrengung die Augen und sah um sich. Im ersten Augenblick nahm er überhaupt nichts wahr. Dann aber, als seine Augen sich an das Mondlicht wieder gewöhnt hatten, sah er Kennaways Körper unverändert zwischen den Grabsteinen liegen. Von den fünf Geistern war nichts mehr zu sehen. Der Wind, der ihm ins Gesicht blies, war kalt, aber frisch und machte ihm den Kopf wieder klar.
Chambers, der nun dicht neben ihm stand, atmete schwer. Sein Gesicht war blutleer, seine Lippen zitterten.
„Sie sind fort“, sagte er keuchend. „Wenigstens für den Augenblick. Doch sie sind nicht vernichtet. Die Worte des Sussama Rituals können zwar eine Seele vor der plötzlichen Zerstörungsgefahr retten, aber nicht auf die Dauer. Schnell … wir müssen Kennaway von hier fortbringen, solange wir noch eine Chance haben.“
Fenner hastete vorwärts. Er kniete sich neben den am Boden Liegenden und fühlte den Puls. Er schlug schwach und unregelmäßig. Erleichtert atmete Fenner auf. Noch war Kennaway aber nicht außer Gefahr. Er lebte zwar, aber wie würde es um seinen Geisteszustand bestellt sein?
Zu zweit gelang es den beiden Männern, den schweren Körper aufzuheben und den Weg hinunterzutragen. Erschöpft langten sie endlich im Dorf an.
„Es wird wohl besser sein, wenn wir ihn in mein Haus bringen“, schlug Chambers vor. „Wir können es nicht riskieren, ihn in sein eigenes Haus zu bringen, wo doch seine Frau noch immer dort liegt. Außerdem ist es möglich, daß sie zurückkommen, um ihn wieder zu holen, und solange er bei mir ist, kann ich ihn vielleicht beschützen.“
Sie brachten Kennaway in einem der Gästezimmer unter.
„Wir werden ihn ständig im Auge behalten müssen, sobald er das Bewußtsein wiedererlangt hat“, meinte Fenner ernst. „Man kann schließlich nicht wissen, wie weit ihr Einfluß auf ihn bestehen blieb, oder was er tun wird, wenn er die ganze Wahrheit erfährt.“
„Sie sind also bereit,
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