074 - Die mordenden Leichen
glitzerte im Sonnenlicht.
Im Schloß herrschte äußerste Betriebsamkeit. Es sah nicht anders aus als auf jeder anderen Baustelle, die Fenner bisher gesehen hatte. Doch ein kleiner Unterschied fiel ihm auf. Die Augen der Männer waren stumpf und ausdruckslos, ihre Bewegungen glichen denen von Puppen und Automaten. Es schien, als würden sie von einer Macht dirigiert, die sie bei der Stange hielt.
Es fiel ihm auch auf, wie kalt es innerhalb des Hauses war. Die Wintersonne war zwar schon schwach, doch er hatte das zwingende Gefühl, daß es draußen viel wärmer war als drinnen. Der Ort lag wie tot da. Ja – tot! Das war das richtige Wort.
Fenner blickte sich wachsam um. In den vorderen Räumen war Angela de Ruys nicht zu finden, also machte er sich auf, um sie in den Räumen, die zum Garten lagen, zu suchen. Endlich entdeckte er sie. Sie stand mit dem Rücken zu ihm und war in ein lebhaftes Gespräch mit einem älteren Mann verwickelt. Ab und zu unterstrich sie ihre Worte mit einer raschen Bewegung ihrer rechten Hand.
Fenner wartete, bis sie mit ihrer Unterredung fertig war und der ältere Mann gegangen war, dann ging er auf sie zu.
„Angela“, sagte er ruhig. Sie wirbelte herum und blickte ihm eisig entgegen.
„Was wollen Sie hier?“ rief sie scharf. „Sind Sie gekommen, um hinter mir herzuspionieren?“
„Aber, Fräulein de Ruys!“ unterbrach er sie rasch. „Ich bin nur gekommen, um mir anzusehen, wie die Arbeit voranschreitet. Nun, wo Sie um jeden Preis weitermachen wollen, müssen wir uns wohl der Lage fügen.“
Sie schien sich ein wenig zu entspannen, doch der wachsame Ausdruck in ihren Augen blieb. Sie beobachtete ihn scharf, wohl, um herauszufinden, wie weit sie ihm trauen konnte.
„Ich freue mich, Doktor, daß Sie die Dinge nun endlich von meinem Standpunkt aus betrachten.“ Ihre Stimme war ein wenig sanfter geworden, doch ließ er sich keine Sekunde davon täuschen. Sie wollte ihn nur prüfen, um herauszufinden, was er beabsichtigte.
Er zuckte mit den Schultern. „Das ist Ihr Haus“, sagte er. „Niemand wird das bestreiten. Sie sind absolut berechtigt, dieses Haus zu bewohnen, obwohl ich persönlich nicht die geringste Lust hätte, es zu tun. Was werden Sie unternehmen, um Dienerschaft zu bekommen? Sie können doch nicht allein das ganze, weitläufige Haus in Schuß halten.“
„Daran habe ich noch nicht gedacht“, gab sie zu. „Ich glaube aber, daß es nicht so schwierig sein kann, Leute hierher zu bekommen, wenn ich großzügige Löhne biete. Ich weiß, daß ich aus dem Dorf niemanden bekommen werde, diese Leute sind zu abergläubisch.“
„Vielleicht sind sie es aus einem sehr guten Grund“, sagte Fenner.
Er bemerkte das ärgerliche Aufflackern in ihren Augen und fragte sich, ob er wohl zu weit gegangen war.
„Wie lange, glauben Sie, wird es noch dauern, bis Sie mit allem fertig sind und einziehen können?“
„Ich weiß es nicht. Die Leute halten mich mit Ausreden hin, aber ich glaube, daß ich sie jetzt auf einen Termin festnageln konnte. Schätze, drei oder vier Wochen, damit werde ich mich wohl zufrieden geben müssen.“
Fenners Gesicht erhellte sich. Er folgte ihr durch das Haus, während sie ihm alles erklärte. Er wunderte sich, daß sie ihn nicht in das kleine Zimmer führte, auf dessen Boden die kabbalistischen Zeichen waren.
Zwanzig Minuten später, als die Besichtigung beendet war, schlug er Fräulein de Ruys vor, sie im Wagen ins Dorf mitzunehmen, damit sie nicht zu Fuß den Hügel hinunter mußte.
Sie zögerte anfangs, nickte dann aber zustimmend. „Gut. Ich muß jedoch unverzüglich in mein Hotel, weil ich vor dem Abendessen noch eine ganze Menge zu tun habe.“
„Selbstverständlich fahre ich Sie sofort dort hin“, versprach er und ging voran zum Wagen.
Es waren noch zwei oder drei Menschen auf den Gehsteigen, als er durch die Straßen fuhr. Unvermittelt bog er mit kreischenden Reifen um die Ecke. Sofort fiel ihm das Mädchen in den Arm.
„Wohin bringen Sie mich?“ rief sie scharf. „Hier lang geht’s nicht zum Hotel – das wissen Sie ganz genau.“
„Es tut mir leid, daß ich zu derlei Maßnahmen greifen muß, aber Paul Chambers muß Sie äußerst dringend sprechen. Wir wußten, daß Sie freiwillig nicht kommen würden, also wurde ich beauftragt, Sie um jeden Preis dorthin zu bringen. Wenn nötig mit Gewalt.“ Angela rüttelte mit aller Kraft an der Tür. Fenner packte sie am Handgelenk und drückte sie in den Sitz zurück. Sie stieß
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