0741 - Die falsche MARCO POLO
auf einer Seite steil in ein blaues Meer abfiel und auf der anderen Seite eine Art Burg oder Festung darbot.
Staunend musterte der Arkonide das Bauwerk, das aus schimmernden Kuppeln und Türmen bestand und von etwa zweihundert schlanken, hoch aufragenden grünen Säulen, wahrscheinlich Bäumen, umgeben war. Danach schaute er nach oben.
Atlans Verwunderung wuchs, denn über der Landschaft spannte sich ein strahlend blauer Himmel, aus dem eine weißgelbe Sonne herabschien. Einige wenige kleine weiße Wolken segelten langsam vom Meer zum Land.
„Ich habe schon viele perfekte videoplastische Projektionen gesehen, aber noch keine, bei der ich überhaupt nicht den geringsten Anhaltspunkt dafür erkennen kann, was echt ist und was vorgespiegelt wird", erklärte er.
„Das Meer wirkt absolut echt", sagte Tschubai. „Die von der Brandung zerstäubten Wassertropfen wehen bis zu uns hinauf.
Ich schmecke sogar die Feuchtigkeit und den Salzgehalt. Aber die Wasserfläche reicht bis zum Horizont - und das kann nicht sein, wenn wir uns im Großen Berg und auf diesem Planeten befinden."
„Gefällt Ihnen Jota Großer Berg?" erkundigte sich Natali.
„Sehr sogar", antwortete Atlan. „Obwohl ein großer Teil aus videoplastischen Projektionen bestehen muß. Aber wo sind Ihre Freunde, Natali?"
„Sie erwarten Sie im Festsaal der Burg", antwortete die Frau.
„Bitte, kommen Sie mit - und nehmen Sie Ihre Helme ab.
Sie brauchen Sie hier nicht."
Widerstrebend klappten Atlan und Tschubai ihre Helme zurück.
Der Arkonide beschloß, seine Wachsamkeit nicht einschlafen zu lassen. Die Bewohner von Jota Großer Berg mochten Menschen sein, aber ihre Mentalität unterschied sich offenbar von der anderer Menschen.
Terraner hätten sich jedenfalls nicht zurückgehalten, wenn sie auf einem Planeten im galaktischen Zentrum lebten und - vielleicht seit Hunderten von Jahren - unverhofften Besuch durch andere Menschen erhielten. Sie wären den Besuchern entgegengegangen.
Während er und Ras der Frau folgten, atmete Atlan die würzige Luft tief in seine Lungen. Sie glich der Luft, wie man sie früher an einem warmen Sommertag über einer irdischen Wiese hatte atmen können. Aber hier gab es keine Wiese. Es gab keinen einzigen Grashalm.
Natali schritt leichtfüßig durch ein gläsernes Portal, ging eine breite, silbern schimmernde Treppe hinauf und betrat einen Weg, der sich zwischen drei Türmen hindurchschlängelte und vor der größten der Kuppeln endete.
Zum dritten Mal ertönte der eigenartige Klang. In der Kuppel entstand wie durch Zauberhand eine Öffnung. Natali wandte den Kopf, lächelte den beiden Männern zu und trat durch die Öffnung.
Atlan und der Teleporter blieben dicht beisammen. Als sie ebenfalls durch die Öffnung traten, lag vor ihnen ein riesiger Saal mit spiegelndem Fußboden, golden schimmernder Decke und abstrakten Mustern an den silbrig schimmernden Wänden.
Ein großer, halbkreisförmiger Tisch stand mitten im Saal. Eine Gruppe von dreißig Frauen und Männern hatte daran gesessen und erhob sich beim Eintritt der Besucher.
Atlan und Tschubai blieben stehen. Auf ihren Gesichtern malte sich Fassungslosigkeit.
Denn der Mann mit der weißen Haarmähne, der ihnen genau gegenüberstand, war ihnen, wenn auch nur von Bildern her, so bekannt, daß ein Irrtum unmöglich war.
Es war Albert Einstein!
Und es war nicht die einzige Person, deren Namen und Gesichter Atlan und Tschubai vertraut waren.
Da waren der - ebenfalls längst verstorbene - amerikanische Dichter William Faulkner, der Mikrobiologe Alexander Fleming, der Schriftsteller Mark Twain, der Admiral Horatio Nelson, die ägyptische Königin Nofretete, die unvergessene Schauspielerin Eleonora Düse und der sibirische Bauer Grigoriy Rasputin, der durch seine parapsychischen Kräfte berühmt geworden war.
Die übrigen Personen waren Atlan und Tschubai nicht bekannt, aber die Männer waren sicher, daß sie ebenfalls herausragende Persönlichkeiten aus der terranischen Geschichte darstellten.
„Sie können niemals echt sein!" flüsterte Tschubai auf englisch, damit die Gastgeber ihn nicht verstanden.
„Zweifellos sind es Nachbildungen", erwiderte der Arkonide in der gleichen Sprache. „Folglich dürfte hier überhaupt nichts echt sein."
Der Mann - beziehungsweise das Wesen -, der aufs Haar dem alten Albert Einstein glich, lächelte undefinierbar und sagte auf englisch: „Wir sind so echt, wie Personen es nur sein können, meine Freunde. Bitte, erweisen Sie
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