0742 - Mein Bruder, der Dämon
oder…?«
»Ich brauche keine Waffe«, behauptete Sura. »Aber jetzt komm mit. Wir wollten doch zum Angelheart Castle. Oder ist dir die Lust vergangen?«
»N… nein, Sura.«
Es war, als ob die Morddrohung Jim Kellys Bewunderung für seinen indischen Freund noch verstärkt hätte. Asha glaubte, ein Leuchten in den Augen des schlaksigen Jungen zu sehen. Die Dämonenpolizistin schnaubte verächtlich, obwohl sie wusste, dass weder Sura noch Jim sie bemerkten.
Jim verhielt sich genauso wie viele seiner Mitmenschen. Obwohl sie einerseits vom Verbrechen abgestoßen wurden, fanden sie es doch gleichzeitig spannend und faszinierend. Erst recht, wenn die geplante Bluttat übersinnliche Züge trug…
Jim Kelly jedenfalls tat alles, um sich Sura Devis Gunst nicht zu verscherzen. Obwohl dieser gerade einen Mord angekündigt hatte.
Die beiden Jungen marschierten mit schnellen Schritten los. Ashas Bruder hinkte leicht. Er war wirklich schlimm zusammengehauen worden. Unwillkürlich musste die Inspectorin voller Stolz grinsen. Die Zähigkeit lag wohl in der Familie…
Doch der Humor verging ihr sehr schnell, als sie das Gespräch zwischen Sura und Jim mit anhörte.
»In Angelheart Castle finde ich alles, was ich brauche, um Nigel Goodwin und seine Speichellecker zu vernichten.«
»Wie meinst du das, Sura? Da gibt es doch nur ein paar alte Steine.«
Der junge Inder warf seinem irischen Freund einen verächtlichen Blick zu. Suras rechtes Auge war bereits stark, angeschwollen. Goodwin hatte ihm ein riesiges Veilchen verpasst.
»Angelheart Castle bietet mehr als das, Jimmyboy. Dort geht es um.«
»Was geht dort um?«
»Ich weiß es auch noch nicht genau. Aber heute werden wir es erfahren, falls wir Glück haben.«
Diese Aussicht schien Jim Kelly gar nicht zu behagen. Trotzdem fragte er: »Und was soll dieses geheimnisvolle Etwas sein?«
»Ich denke da an einen Dämon«, gab Sura freimütig zu. »Und zwar einer von der Sorte, der mich an seinen Kräften teilhaben lässt. Mit diesen übersinnlichen Fähigkeiten werde ich dann diese Wanze Goodwin zertreten. Du siehst, ich brauche kein Schießeisen und keine Messerklinge.«
Jim Kelly warf seinem Freund einen undefinierbaren Blick zu. Sura fuhr lächelnd fort. Asha Devi erstarrte. Sie kannte dieses Grinsen nur allzu gut. Ihr Vater setzte dasselbe Gesicht auf, wenn er auf Wahlveranstaltungen seine Anhänger für dumm verkaufte. Und das Schlimme war, dass die Menschen immer wieder auf Devi senior hereinfielen. Genau wie Jim Kelly Sura Devi auf den Leim ging…
»Glotz mich nicht so an, als ob ich nicht alle Tassen im Schrank hätte. Du verstehst das nicht, weil du kein Inder bist. In meiner Heimat gehören die Götter und die Dämonen zum täglichen Leben dazu. Es kann jederzeit passieren, dass ein Gott wie Shiva oder Vishnu Menschengestalt annimmt und unter uns wandelt, um unsere Leidenschaften und Wünsche besser kennen zu lernen. Und es kann auch geschehen, dass ein Mädchen im Wald von einer Unterweltkreatur geschändet wird. Wie gesagt, Magisches ist Teil unserer Welt. Es ist nicht wie hier im Westen, wo man nur zu Weihnachten in die Kirche geht.«
»Und du glaubst, dass du mit den Dämonen in Angelheart Castle Verbindung aufnehmen kannst, Sura?«
»Ich werde es jedenfalls versuchen, Jimmyboy. Die übersinnlichen Wesen spüren gewiss, dass ich mit offenem Herzen zu ihnen komme.«
»Tu das nicht!«, rief Asha Devi, obwohl sie wusste, dass es sinnlos war. »Die Dämonen rauben dir deine Seele, Sura! Sie geben dir Macht, aber sie machen dich selbst zu einem Monster!«
Wie nicht anders zu erwarten war, reagierte Ashas Bruder überhaupt nicht. Er war eben nur eine Figur in einem Traum. Oder besser gesagt in einer Vision, wie der Inspectorin längst klar geworden war. Das, was sie hier als passive Zuschauerin miterlebte, war nicht so chaotisch und widerspruchsvoll wie es die meisten Nachtträume sind.
Die Götter wollten ihr mit dieser Vision offenbar genau zeigen, wie ihr Bruder zum Dämon geworden war.
Aber warum?
Um mir bei meinen Ermittlungen zu helfen, dachte Asha Devi. Die Inspectorin war ein erklärter Liebling der indischen Götter. Brahma, Shiva und die anderen mächtigen Wesen von dem Berg Meru wollten dazu beitragen, dass Asha Devi ihren Bruder finden konnte.
Finden und vernichten.
Bevor sich Asha Devi näher mit dieser Vorstellung befassen konnte, wurde sie von den Erlebnissen der beiden Jungen abgelenkt.
Denn Sura und Jim hatten nun Angelheart Castle
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