0747 - Fooly, der Jäger
mehr finden. Er wusste es.
Er war nicht glücklich darüber. Für ein paar Jahre hatte er diese Ruhe gehabt. Doch nun, durch diesen Traum, diese Vision, war die alte Unruhe wieder erwacht. Die Insektenäugigen waren zur Erde zurückgekehrt, und er wusste, wo er sie finden konnte.
Es ist wie der Instinkt der Katze, der sie die Maus selbst dann noch jagen lässt, wenn sie längst satt ist, erkannte er. Aber ich bin doch kein Tier! Ich bin ein Drache!
Und das war noch mehr, als ein Mensch jemals sein konnte. Drachen waren Geschöpfe, die moralisch und ethisch noch viel höher standen.
Fooly wusste das, aber es machte ihn nicht überheblich. Er war gern mit den Menschen zusammen, er zählte sich gern zu ihnen. Und es machte ihm Spaß, sie hin und wieder mit seinen Aktionen zu verwirren oder auch zu erheitern. Warum waren sie von Natur aus nur immer so ernst? Es gab doch so viel Schönes auf der Welt, im Leben eines Menschen und eines Drachen. Und wenn dabei mal was kaputtging - es ließ sich doch ersetzen.
Was unersetzbar war und blieb, waren Menschen- und Drachenleben.
Vor einigen hundert Jahren, lange bevor Fooly aus seinem Ei kroch, gab es auf der Erde Menschen, die das Leben von Drachen nicht sonderlich hoch schätzten. Im Gegenteil, sie jagten sie wie wilde Tiere und schlachteten sie ab. Viele Drachen, die aus dem Drachenland zur Erde gekommen waren, starben. Die Menschen erzählten böse Geschichten über sie. Angeblich terrorisierten Drachen die Dörfer und Städte und Burgen, verlangten Menschenopfer… Das waren alles nur böse Lügen.
Denn die Menschen verstanden die Größe der Drachen nicht. Und was man nicht versteht, sieht man als Bedrohung an. Vor allem, wenn es auch noch äußerlich viel größer und Furcht erregender aussieht.
Dabei konnten die Drachen für ihr Aussehen ebensowenig wie die Menschen.
Fooly wusste, dass er eines Tages auch völlig anders aussehen würde als jetzt. Noch viel größer, wesentlich schlanker, und nach den Maßstäben der Menschen auch häßlicher. Noch fanden sie ihn in seiner jetzigen Gestalt knuddelig. Aber was würde in hundert, zweihundert, oder in tausend Jahren sein? Akzeptierten sie ihn dann auch noch?
Er war oft im Dorf unten an der Loire, unterhalb von Château Montagne. Die Menschen dort kannten ihn längst, sie akzeptierten ihn trotz seiner mehr als ungewöhnlichen Erscheinung. Das lag aber wohl eher daran, dass sie alle mit Magie vertraut waren. Schließlich bekamen sie oft genug hautnah mit, dass es diese Magie gab. Sie hatten gelernt, sie zu akzeptieren. Und so akzeptierten sie auch den jungen Drachen.
Aber schon wenige Kilometer weiter sah das ganz anders aus. Da war er nicht mehr der knuddelige Kuscheldrache und lustiger Spielgefährte für Kinder, sondern selbst in seiner jetzigen Gestalt ein schreckliches Monster.
Die Erde war keine Welt für Drachen. Damals nicht und auch nicht heute. Sie würde es wohl nie sein. Fooly sehnte den Tag herbei, an dem er heim ins Drachenland kehren konnte.
Allerdings würde er seine Freunde vermissen - Zamorra, Nicole, Lord Zwerg, Fenrir, Butler William, Madame Claire - die sich immer so überwältigend aufregen konnte, wenn er ihre Küche ein wenig nach seinen Vorstellungen ordnete - und all die anderen.
Sie würden ihn nicht begleiten, wenn er ging. Denn sie gehörten hierher. Sie wären im Drachenland so wenig erwünscht wie ein Drache auf der Erde.
Denn auch die Drachen hatten ihre Vorurteile…
Aber um das alles konnte er sich später Gedanken machen. Wenn es ein Später für ihn gab. Denn jetzt musste er sich um die Insektenäugigen kümmern, die Mörder seines Elters.
Und so konzentrierte er sich auf sie, die er in seiner Vision gesehen hatte. Und die Regenbogenblumen brachten ihn in ihre Nähe.
***
Wieder ins Château Montagne zurückgekehrt, schüttelte Nicole Duval den Kopf. »Er muss einen ganz anderen Weg genommen haben, als wir dachten«, seufzte sie. »Aber wohin kann er sich gewandt haben?«
»Wir haben die Regenbogenblumen außer Acht gelassen«, sagte Zamorra.
Nicole schlug sich mit der flachen Hand vor die Stirn. »Wieso habe ich nicht daran gedacht?«
»Mir ist es ja auch erst jetzt eingefallen«, gestand Zamorra. »An das, was am nächsten liegt, denkt man immer zuletzt.«
»Dann haben wir ja jetzt einen Ansatzpunkt«, sagte Nicole. »Wir benutzen die Regenbogenblumen ebenfalls. Wir brauchen uns ja nur auf Fooly zu konzentrieren und werden dort ankommen, wo er sich
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