0747 - Jessicas Rächer
durchaus für sie hätte tödlich werden können.
In Kopfhöhe und in der Tür des Küchenschranks steckte die Klinge eines Messers!
Jane Collins handelte aus einem Gefühl heraus. Sie packte die alte Dame und zerrte sie in die Deckung eines toten Winkels neben der Tür. Dort blieben beide stehen.
Im Nachhinein bekam Sarah noch einen Schreck und fing an zu zittern. Reden konnte sie nicht.
Jane konzentrierte sich auf das Messer. Es war eine sehr lange Waffe, die zur Hälfte aus einem Metallgriff bestand, der wie ein dunkler Stein schimmerte, dessen Oberfläche poliert worden war.
Die Klinge war schmal wie ein Finger und hatte sich mit der Spitze sehr wuchtig in die Tür gebohrt.
Die Küche war aus Holz gefertigt. Das Material war an der Einstichstelle gesplittert, aber nicht so stark, als dass man das Messer hätte herauszerren können.
Jane dachte auch an die Zerstörung in ihrem Zimmer. Für sie stand fest, dass für den Angriff auf Lady Sarah und das Chaos oben ein und dieselbe Person in Frage kam.
Aber wer war es? Wie war dieser Eindringling in das Haus gelangt? Und wahrscheinlich hielt er sich noch irgendwo versteckt.
Das bereitete der Detektivin Sorgen.
An Sarahs Atem war zu hören, dass sie sich wieder einigermaßen beruhigte und sicher auch in der Lage war, entsprechende Fragen zu beantworten. Sie kam Jane zuvor, als sie mit leiser Stimme anfing zu reden. »Es war ein Schock. Ich – ich stand hier in der Küche und drehte der Tür nichtsahnend den Rücken zu.« Sie stockte.
»Wie ist es denn geschehen?«
Sarah schaute auf den Schrank. »Wenn ich dir das sage, muss ich von einem Schutzengel sprechen.«
»Bitte.«
»Es war plötzlich ein seltsames Gefühl in mir. Ich hatte eine Ahnung, nicht mehr allein zu sein, dass sich hinter mir etwas tat oder sich etwas zusammenbraute. Das war wie ein Hauch, der mich plötzlich traf. Ein Zucken im Nacken, und ich ging einen Schritt nach rechts, wobei ich mich gleichzeitig umdrehte.« Sie holte zweimal tief Atem. »Da befand sich das Messer bereits auf dem Weg und wischte an mir vorbei. Es – es splitterte, als es in die Tür schlug. Ich spürte sogar noch den Luftzug. Kannst du dir jetzt vorstellen, um welche Haaresbreite ich dem Tod entgangen bin? Das Ding hätte doch glatt meinen Hals durchgebohrt.«
»Stimmt.« Auch Jane verspürte Magendrücken und einen Schauer im Gesicht. »Hast du denn nicht gesehen, wer dieses Messer geworfen hat? Du hast dich doch umgedreht.«
Sie nickte. »Ja, das stimmt.«
»War er schon weg?«
Lady Sarah lehnte sich an die schmale Seite der aufgeräumt wirkenden Arbeitsplatte. »Was ich dir jetzt sage, ist einfach verrückt«, stammelte sie. »Ich stand unter einem Schock, ich konnte mich auch nicht bewegen und habe natürlich zur Tür geschaut. Da ist mir auch etwas aufgefallen. Wenn ich dir das sage, hältst du mich für übergeschnappt.«
»Versuche es trotzdem.«
»Da war ein Schatten, Jane.«
»Mehr nicht?«
»Nicht viel mehr«, gab die Horror-Oma zu. »Ein sehr kleiner Schatten, nicht der von einem Menschen, verstehst du?«
»Zur Hälfte.«
»Nun ja, er war sehr schnell. Ich habe ihn nur für die Dauer einer Sekunde gesehen.«
»Aber du hast etwas erkannt?«
»Sicher. Seine Größe.« Sie spielte jetzt mit den Perlen ihrer Ketten.
»Bitte, Jane, lach mich nicht aus, aber dieser Schatten war ungewöhnlich klein. Der passte einfach nicht zu einem Menschen, der – der gehörte eher einem Zwerg.«
»Wie bitte?«
»Ja, ich spinne nicht. Er war so groß wie ein Zwerg. Er bewegte sich auch lautlos, er huschte davon und tauchte ein in den Flur. Ein Mann oder eine Frau konnten es nicht gewesen sein, das musst du mir schon glauben, Jane.«
»Aber ein Zwerg?« Sie verzog die Nase und auch den Mund. »Das kann ich mir nicht vorstellen.«
»Ich auch nicht. Trotzdem war er da. Und das Messer im Schrank spricht schließlich Bände.«
»Ja, das ist wahr.«
Jane bat Sarah, die Tür im Auge zu behalten. Sie ging so weit vor, bis sie die Küchenrolle erreicht hatte. Dort riss sie einen Fetzen ab und näherte sich der Waffe. Um keine Fingerabdrücke zu verwischen, drapierte Jane das Tuch um den Griff und zog das Messer dann vorsichtig aus dem Holz. Auf der Arbeitsplatte legte sie es nieder und meinte, dass dies ein Fall für John Sinclair wäre.
»Das denke ich auch.«
Jane blieb stehen, drehte sich aber so, dass sie Sarah anschauen konnte. »Was meinst du, Sarah, wie ist der Fremde hier ins Haus gekommen? Wie war so
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