0747 - Jessicas Rächer
der Rolle, deprimiert und hat zudem Glück gehabt, dass er noch lebt.«
Die Stimmung zwischen den beiden Frauen war gestockt. Sie hingen ihren Gedanken nach und es war Lady Sarah, die den Faden wieder aufnahm. »Ich finde so etwas schlimm«, sagte sie. »John kann in seiner Situation kein normales Leben mehr führen. Er muss doch immer damit rechnen, dass jede neue Person, die er kennen lernt, zur anderen Seite gehört. Ich kenne ja nicht viele Einzelheiten, habe aber etwas von Kreaturen der Finsternis gehört, die auch als Urdämonen bezeichnet wurden.«
»Gibt es keine Möglichkeit, sie zu erkennen?«, fragte Jane.
»Ich glaube es nicht. John muss von nun an mit dieser Ungewissheit leben, ob er will oder nicht.«
»Und wir ebenfalls.«
»Sicher.«
»Jessica Long«, sprach Jane den Namen der Frau leise aus. »Was mag sie für ein Mensch gewesen sein?«
»Eine Künstlerin und eine – pardon – sehr hübsche Frau.«
»Das weiß ich mittlerweile.«
»Du bist nicht verletzt, Jane?«
Sie schüttelte den Kopf. »Bestimmt nicht. Habe ich denn ein Recht auf John? Hat Glenda eines?«
»Wenn du es so siehst, dann nicht.«
»Eben.«
»Es muss ihn halt erwischt haben, und das hat er auch für sich behalten.«
Jane knabberte an einem Gebäckstück. Natürlich hatte es sie hart getroffen, als man ihr die Wahrheit präsentiert hatte. Es war nichts mehr zu ändern, und zudem hatte sie kein Recht, sich in Johns Leben einzumischen. »Ich frage mich nur, wie lange er braucht, um über diese Enttäuschung hinwegzukommen, Sarah. Das muss John tief getroffen haben. Das sitzt mitten in der Seele und so etwas kann krank machen. Hoffentlich wirkt es sich nicht auf seine Arbeit aus.«
»Würdest du ihm denn zur Seite stehen, Jane?«
»Selbstverständlich, Sarah. Dazu sind Freunde doch da.«
»Finde ich toll von dir.«
»Es wird mir nur schwer fallen, ihm keine Vorwürfe zu machen, da bin ich ganz ehrlich.«
»Das schaffst du schon.«
»Ich werde mich bemühen.«
Die Stimmung war für Jane irgendwie dahin. Sie fühlte sich nicht mehr so locker und gut, bis Lady Sarah den Vorschlag machte, am Abend essen zu gehen.
»Wir beide?«
»John könnte dabei sein, wenn er will.«
Jane kniff ein Auge zu. »Wenn du ihm damit kommst, wird er sich denken können, dass wir ihn nur aushorchen wollen.«
Sarah lächelte. »Wollen wir das denn?«
»Ja und nein. Wir würden zwangsläufig auf dieses Problem zu sprechen kommen. Daran kann man einfach nicht vorbeigehen. Vielleicht sollten wir John noch Zeit geben, mit sich selbst ins Reine zu kommen. Er muss sich daran gewöhnen, dass es für ihn keine Jessica Long mehr gibt, und er wird auch darüber hinwegkommen. Enttäuschungen bleiben keinem von uns erspart. Je älter wir werden, umso dichter folgen sie aufeinander. Das ist nun mal der Lauf der Welt.«
»Du hättest Philosophin werden können, Jane.«
»Nein, nein, lass mal lieber.« Sie erhob sich. »Jetzt werde ich erst mal die Fummel hochbringen.«
»Passen sie denn?«
»Und ob.« Sie drohte mit dem Finger. »Du hast dir wohl eine kleine Modenschau vorgestellt, wie?«
»Ja, das dachte ich.«
»Nein, nein, lass mal, Sarah. Allerdings könnte ich schon ein nettes Essen vertragen, wenn du Lust hast.«
»Gut, dann gehen wir eben allein. Und wohin?«
»Das überlasse ich dir. Such dir das Restaurant aus und bestell direkt einen Tisch.«
»Mach ich doch glatt.«
Jane Collins schnappte ihre Tüten und verließ den Raum. Sie ging die Treppe hoch und war in Gedanken versunken. Auch spürte sie einen Kloß im Hals. Es war nicht leicht für sie, Johns Verhältnis zu Jessica zu akzeptieren. Das hatte ihr schon wehgetan und sie ziemlich tief getroffen. Sie wollte sich nur keine Vorstellungen davon machen, wie es bei ihnen gelaufen war. Jessica gab es nicht mehr und Jane freute sich darüber, dass ihr mörderischer Plan nicht gelungen war.
Sie hatte zu den Kreaturen der Finsternis gehört. Zu den Urdämonen, von denen sich die Detektivin keine Vorstellungen machen konnte. Sie wusste nicht, wer oder was dahinter steckte, sie war einfach überfragt und wollte auch nicht mehr darüber nachdenken.
Irgendwann würde es ihr John erzählen, dieses Vertrauensverhältnis zwischen ihnen bestand noch.
Vor der Zimmertür wechselte sie die Tüten in die linke Hand. Hier oben war es hell und freundlich. Jane liebte die Farbe Weiß, kombinierte sie aber mit anderen, sodass ihr Zimmer selbst bei dem schlechtesten Londoner Nebelwetter nie grau und
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