0749 - Hort der Wölfe
sprechen.
»Dome… was…?«
Fremd und kaum verständlich war seine Stimme, und weiter kam er nicht.
Grundgütiger, was tat er da? Bildete er sich etwa ein, mit diesem Ungeheuer verhandeln zu können?
Andererseits - warum hatte Dome ihn nicht längst schon getötet? Wartete er darauf, dass die Angst Vanduren überrannte, weil das sein Fleisch schmackhafter machte? Oder…?
»Dome!«
Die Bestie sprach. Spuckte das Wort förmlich aus. Speichel sprühte Vanduren ins Gesicht. Und das Monster lachte. Heiser, fauchend, knurrend.
»Lyle Dome ist nicht mein Name«, kam es kehlig und schwer zu verstehen aus dem grotesken Maul, das noch nicht das eines Wolfes, aber auch nicht mehr der Mund eines Menschen war.
Der Griff um Vandurens Hals lockerte sich um eine Winzigkeit. Vanduren nutzte die Chance, sog gierig Luft ein. Es tat höllisch weh, als atme er Gluthitze und gemahlenes Glas.
»Sondern?«, presste er dann mühsam hervor.
»Lykandomus!«
Vanduren holte vor Schreck so tief Luft, dass er meinte, Hals und Lunge wollten ihm explodieren.
»Der Herr der Wölfe!«, krächzte er, schockiert beinahe.
Er hatte im Zuge seiner Reisen und Studien von Lykandomus gehört, der angeblich der Herr aller Werwölfe sein sollte. Aber er hatte nicht an seine Existenz geglaubt, ihn für einen Mythos gehalten. Mochte das Wesen der Werwölfe per se auch fantastisch sein, so hatte sich Vanduren insgesamt doch eine nüchterne Betrachtungsweise bewahrt. Er sah die Wölfischen nicht als dämonische Wesen, sondern als Tiere, eine abartige Spezies, die weiß Gott wie entstanden war, durch eine üble Laune der Natur vielleicht. Aber…
Lykandomus sprach weiter und kappte Vandurens Gedankenkette.
»Vanduren«, knurrte der Herr der Wölfe, »euer Name ist mir schon lange ein Dorn im Auge. Ich weiß seit Anbeginn, was ihr treibt, und vielleicht hätte ich eure Linie längst schon auslöschen sollen. Aber ich hielt es mit der Devise des Fürsten der Finsternis. Mit Schwund muss man rechnen, pflegt er zu sagen.«
Die entsetzliche Wolfskreatur holte rasselnd Atem, keuchte, als strenge sie das Reden über Gebühr an, ehe sie fortfuhr.
»Die Zahl meiner Diener, die deine Vorfahren auslöschte, war auch vernachlässigbar gering. Du aber, Merlow Vanduren«, und den Namen spie er dem Jäger ins Gesicht, »hast den Bogen überspannt. Du hast mehr Werwölfe getötet als all deine Vorgänger zusammen! Und treibst Schindluder mit ihren Kadavern! Das kann ich nicht länger dulden!«
Mit diesen Worten hielt Vanduren sein Schicksal für besiegelt. Lykandomus würde ihn umbringen. Und der Wolf war so voller Zorn und Hass auf ihn, den Jäger, dass Vanduren es nicht wagte, auf einen gnädigen Tod zu hoffen, geschweige denn darum zu bitten.
Was er ohnedies nicht getan hätte. Das Ende vor Augen und von rumorender Angst erfüllt, spürte er doch immer noch Stolz in sich. Ja, Stolz und Würde. Und beides erhob ihn über das Tier. Davon würde er nicht lassen, auch im Sterben nicht.
Lykandomus weidete sich an seiner Furcht, sog sie auf wie köstlichsten Wohlgeruch. Endlose Sekunden lang gab er sich diesem Labsal hin. So wie er vorhin den Revolver gewittert hatte, witterte er jetzt, dass Vanduren keine weitere Waffe bei sich trug, die ihm - Lykandomus - hätte gefährlich werden können. Deshalb sah er keinen Grund zur Eile.
Und Vanduren sah keine Chance, wie er mit bloßen Händen gegen den Herrn der Wölfe bestehen sollte.
Obwohl - weder sein Revolver noch sein Stilett waren unerreichbar weit entfernt. Wenn er es schaffte, sich aus dem Griff des Wölfischen zu befreien und dann nur schnell genug war…
Wieder störte Lykandomus' Stimme seine Überlegungen.
»Eigentlich«, begann das Monstrum, »müsste ich dich töten. Und vielleicht wäre es auch das Klügste. Andererseits«, er setzte eine wohl bemessene Pause, »gibt es da etwas, wobei du mir dienlich sein könntest.«
»Ich…?«, brachte Vanduren mit Mühe hervor - und: »Dir dienlich sein? Wie?«
»Ich biete dir einen Handel an«, sagte Lykandomus, »wie es in den Schwefelklüften alter Brauch ist.«
»Mein Leben - gegen was?«, fragte Vanduren röchelnd.
Lykandomus nickte. »Ich sehe, du bist schnell von Begriff. In der Tat - ich lasse dir dein Leben, wenn du…« Er hielt kurz inne, überlegte einen Moment lang und suchte sichtlich nach den richtigen Worten.
»Dazu muss ich etwas weiter ausholen«, erklärte er schließlich. »Also, hör gut zu, Jäger…«
***
2003, Frankreich,
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