0749 - Hort der Wölfe
allerdings rangierte auf der Liste seiner bevorzugten Menüs nature ziemlich weit unten - er hatte es schon versucht und für zu zäh und zu wenig schmackhaft befunden.
Dass sich Royce Bane von den Worten seines Bekannten quasi nach British Columbia locken ließ, hatte also nichts damit zu tun, dass er Jagd auf Wölfe machen wollte. Nein, Neugier und Lust hatten ihn getrieben. Neugier und Lust auf Schauspiele, wie sie nur Mutter Natur zu inszenieren verstand.
Und - es roch nach Abenteuer.
Genauer wusste Bane es nicht zu benennen. Er hätte nicht sagen können, welche Art von Abenteuer er zu erleben hoffte, nicht einmal, was diese Erwartung in ihm geweckt hatte. Fakt war einfach, dass sie wachgerufen war. Und da er dieses Gefühl kannte und es ihn in der Vergangenheit noch nie getrogen hatte, nahm er den weiten Weg in den Nordwesten des amerikanischen Kontinents auf sich - uns war nicht enttäuscht worden…
Zumindest nicht, was die erhofften ›Schauspiele‹ anging.
In jeder der bisherigen Nächte, die er nun schon in dieser Gegend kampierte, hatte er Wölfe gesehen. Er hatte sie beim Jagen beobachtet und versucht, ihnen zu folgen - und das Gefühl, dass da irgendwo, als Draufgabe gewissermaßen, ein Abenteuer seiner harrte, war nicht gewichen, sondern im Gegenteil stärker, wenn auch noch nicht wirklich konkret geworden.
Nur eines war ihm klar: Es hatte irgendetwas mit den Wölfen zu tun.
Diese Wölfe waren nicht die ersten Vertreter ihrer Gattung, denen Royce Bane in freier Wildbahn begegnete. Und sie unterschieden sich im Grunde auch nicht von jenen, die er zuvor und andernorts beobachtet hatte. Nicht auf den ersten Blick jedenfalls - sah man davon ab, dass es sich bei den Wölfen hier ausnahmslos um überaus stattliche Exemplare handelte, was wiederum so bemerkenswert nicht war.
Was Bane stutzig machte, das war das Verhalten dieser Wölfe. Es schien ihm atypisch. Wenn auch nicht in solchem Maße, dass er behauptet hätte, sie verhielten sich völlig ›unwölfisch‹. Es waren eigentlich nur Kleinigkeiten, die ein Dutzend Gründe haben konnten, und jede für sich so unbedeutend, dass sie ihm einzeln womöglich nicht einmal aufgefallen wären. Schließlich war er kein Experte für Wölfe und deren Benehmen, sondern nur ein, ja, allenfalls ›Hobby-Wolfologe‹. Die Massierung dieser Eigenarten indes war augenfällig, auch für ihn.
So handelte es sich bei den Wölfen hier offenbar nur um Einzelgänger, die nicht in Rudeln und deren Rangordnung organisiert waren. Aber auch ihre Art zu jagen kam Bane sonderbar vor: Hatten sie ihre Beute zur Strecke gebracht, machten sie sich nicht an Ort und Stelle darüber her, sondern schleppten sie fort - wohin, das hatte er bislang nicht herausfinden können, weil es ihm nicht gelungen war, auch nur einem dieser Wölfe weit genug zu folgen.
Irgendetwas Merkwürdiges ging hier vor, etwas Geheimnisvolles. Und war er, Bane, erst einmal auf ein Geheimnis aufmerksam geworden, gab er keine Ruhe, bis er es gelüftet hatte.. Dieser Zug lag ihm nun einmal im Blut. Dagegen kam er nicht an, so wenig wie ein Raubtier gegen den Drang zu jagen. Und dieser Zwang hatte ihn in der Vergangenheit schon in vielerlei Abenteuer verwickelt, manche so haarsträubend, dass niemand sie ihm, würde er sie denn jemandem erzählt haben, geglaubt hätte - was einer der Gründe war, weshalb er diese Erlebnisse für sich behielt.
Und heute Nacht nun bahnte sich wieder etwas an, eine neue Seltsamkeit um die Wölfe dieser Region…
Seit kurz vor Sonnenuntergang lag Royce Bane ein gutes Stück von seinem kleinen Camp entfernt am Rande einer weiten Lichtung auf der Lauer. Zu beiden Seiten des sich lang hinstreckenden Geländeeinschnitts waren die Hänge mit Wald bestanden, in der Talsohle wuchsen Gräser und Kräuter. Dort äste seelenruhig eine Gruppe von Rehen und stand für einen Jäger auf der Pirsch wie auf dem Präsentierteller.
Obwohl Bane sein Gewehr bei sich trug, hatte er kein Interesse daran, eines der Tiere zu erlegen. Der Hase, der ihm am Morgen in die Falle gegangen war, bot ihm noch genug Fleisch für einen weiteren Tag.
Nein, er lag hier, um auf einen anderen Jäger zu warten. Wie diese Rehe so dastanden, das war eine unwiderstehliche Einladung für jeden Wolf. Wenn ein solcher dieser Einladung folgte, wollte Bane dabei zusehen.
Seine Geduld wurde auf keine harte Probe gestellt.
Die Sonne war inzwischen hinter den Hügeln im Westen versunken, doch der Mond schien hell genug, um ihm
Weitere Kostenlose Bücher