0750 - Ich bin dein Henker, Sinclair!
Stahl jedenfalls hat noch keinen Hinweis bekommen. Er wird sich aber darum kümmern und mich anrufen, falls er eine Spur entdeckt.«
»Dürfen wir denn bleiben?«, erkundigte sich Lady Sarah mit einem Lächeln auf den Lippen.
»Ich bitte dich – welch eine Frage.«
Jane Collins hatte inzwischen Wasser aus der Küche geholt. Die große Flasche stand mitten auf dem Tisch. Auch für mich war ein Glas dabei. Ich goss es halb voll, trank es leer und löschte zunächst einmal meinen Durst. Dabei starrte ich das Bild an.
Es hatte sich nicht verändert, aber ich wurde den Eindruck einfach nicht los, dass dieser Mensch vor dem Schloss ein Vampir war, obwohl er seine Zähne nicht zeigte.
Das Schloss war meine Hoffnung. Ich hatte dem Kommissar natürlich davon berichtet und es auch ziemlich detailliert beschrieben. Er hatte sich nicht so angehört, als wäre es ihm unmöglich, dieses Gemäuer zu finden, weil es eben so prägnant war. So zahlreich waren die Burgen dort auch nicht vertreten.
Ich war nervös. Kein Wunder auch, und meine Nervosität steckte auch die Frauen an. Vor allen Dingen mochten sie es nicht, dass ich im Zimmer hin und her wanderte.
»Setz dich doch hin«, verlangte Jane. »Durch dein Herumlaufen wird es auch nicht besser.«
Ich blieb am Fenster stehen, umfächert von der frischen Frühlingsluft. »Ja, das weiß ich selbst, aber du bist ja nicht direkt betroffen. Ich denke die ganze Zeit darüber nach, was da auf mich zukommen könnte.«
»Ein Vampirfall«, erwiderte sie.
»Und zwar ohne Mallmann!«, stand ihr Lady Sarah bei.
»Meinst du?«
»Immer.«
»Ich kann es nicht sagen, ob das tatsächlich stimmt. Wir werden abwarten müssen.«
»Außerdem dürfte es für dich mittlerweile zu den leichteren Übungen gehören, einen Blutsauger zu stellen«, bemerkte Jane. Sie reckte sich. »Denk mal daran, was du in der letzten Zeit für Gegner gehabt hast. Die Kreaturen der Finsternis, zum Beispiel. Du hast diesen seltsamen Engel Raniel kennen gelernt, dann den kleinen Jungen Elohim. Das waren doch alles ganz andere Kaliber.«
»Da gebe ich dir Recht.«
»Was soll dann deine übertriebene Sorge?«
»Jane, da bist du auf dem falschen Dampfer. Ich gehe davon aus, dass ich es in diesem Fall nicht mit einem simplen Vampir zu tun habe, das im Prinzip schon, aber dahinter steckt noch etwas anderes. Ich bin davon überzeugt, dass dieser Typ auf dem Bild einen Background hat, der mir ein wenig mehr als Kopfzerbrechen bereiten wird. Wenn du mich nach dem Beweis fragst, den habe ich natürlich nicht, aber ich verlasse mich nun mal gern auf meinen Instinkt.«
»Kein Einspruch, Euer Ehren.«
»Danke.«
Lady Sarah stand mir bei. »Ich glaube auch, dass dies eine große Sache werden kann. Noch steckt sie in der Entwicklung, aber der Stein ist bereits in Form des Gemäldes in das Wasser geworfen worden und beginnt Wellen zu schlagen. Sie haben uns auf Trab gebracht und dich ebenfalls, John. Hinzu kam der Anruf. Sicherlich war es genau das, was die andere Seite gewollt hat.«
»Das könnte hinkommen«, gab ich zu.
»Es wird sogar so sein, John.«
Ich lächelte schief, als ich sagte: »Da könnte ich dann eigentlich schon das Ticket bestellen.«
»Meinetwegen. Ich finde…«
Was Lady Sarah fand, sagte sie nicht mehr, denn das Telefon meldete sich mal wieder. Ich eilte hin und war der festen Überzeugung, dass Kommissar Stahl zurückrief.
Er war es dann auch. Wieder hörte ich zuerst sein Schnaufen.
Dann lachte er. »Du hast mich ja ganz schön auf Trab gehalten. Meine rechte Zeigefingerspitze ist schon wund vom Wählen.«
»Berufsrisiko. Hat es wenigstens etwas gebracht?«
»Soll ich sagen leider nein oder zum Glück nicht?«
»Das kommt darauf an.«
»Vorweg, John. Ich habe mit Erfurt gesprochen. In Thüringen ist nichts passiert, was ein Eingreifen deinerseits rechtfertigen würde. Du hast Glück gehabt.«
»Danke, Harry, aber mir gefällt deine Stimme nicht.«
»Was hast du dagegen?«
»Die Tonlage, weißt du? Irgendetwas musst du noch in der Hinterhand haben.«
»Gratuliere, John. In der Tat habe ich da etwas, deshalb dauerte es ja so lange mit meinem Rückruf.«
»Und? Was ist?«
»Ganz einfach. Ich habe mich mal indirekt um deine Beschreibung der Burg gekümmert.«
»Was heißt indirekt?«
»Nun ja, gewisse Leute angerufen, die mir verpflichtet sind. Ich kenne da einige Dozenten, die in Kunstgeschichte bewandert sind. Einen habe ich erreicht und ihm die Beschreibung
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