0752 - Lauras Leichenhemd
sie musste sich am Dach des roten Porsches abstützen.
»Okay«, sagte Bill. »Okay.«
Ich gab Suko ein Zeichen. Er hatte mitgehört und signalisierte ebenfalls sein Einverständnis.
Trotz aller Eile überstürzten wir nichts. In der nächsten Minute sprachen wir darüber, wohin wir uns wenden sollten. Und ich fügte noch eine Warnung hinzu, bevor ich Sheila meine Beretta überließ.
»Lass dich auf nichts ein, falls du Johnny sehen solltest. Dieses Mädchen hat vier Tote auf dem Gewissen.«
»Ja, John, ich weiß.«
»Gut, dann können wir.«
Keiner fühlte sich besonders optimistisch. Die Angst davor, Johnny nicht mehr retten zu können, nagte in uns wie die Zähne einer hungrigen Ratte.
***
Johnny ging auf Laura zu.
Sie trug das Hemd und fühlte sich stark. In ihren Augen lag eine wahnsinnige Gier. Sie spürte, wie das Blut auf ihrem Leichenhemd in Bewegung geraten war, wie es eine gewisse Wärme ausstrahlte, die auch vor ihrer Haut nicht halt machte und durch sie hinweg in das Innere ihres Körpers drang, um dort die Kontrolle zu übernehmen.
Der Kontakt war da!
Laura hörte die Stimme, die aus dem Nichts kam, aus einer anderen Welt, aus dem Reich der Toten. Sie war einfach da, und sie leitete das junge Mädchen.
»Es ist wunderbar, Laura. Ich freue mich immer mehr. Gemeinsam werden wir erstarken. Wir werden vieles tun können. Wir werden einen Teil der Welt beherrschen. Ich werde durch den Tod der anderen immer stärker. Das Hemd ist aus dem Blut der Opfer gewebt worden. Es hat die einzelnen Nähte verklebt und durchdrungen. Du trägst die Farbe des Blutes, du trägst das Blut an sich, das so uralt ist, aber seine Kraft nicht verloren hat. Es brauchte immer Tote, um sich zu erneuern. Hol dir den nächsten, lass ihn sterben, ich weiß, dass du es kannst.«
Laura gab nur eine undeutliche Antwort.
Johnny sah sie nicken. Er wusste nicht, was das bedeutete, er wusste nur, dass er ein Gefangener war, obwohl er sich doch frei bewegen konnte. Er klemmte fest, die Welt um ihn herum war verändert worden. Er hatte nicht mehr das Blickfeld wie sonst. Es war eingeengt worden. Johnny konnte nicht erkennen, was sich rechts und links von ihm befand, er schaute nur nach vorn.
Da war Laura!
Kalt, brutal und grausam!
Sie war einfach da, sie tat nichts, aber sie herrschte. Sie hielt alles unter Kontrolle. Sie war noch ein Mensch, aber in ihrem Innern steckte das Grauen und hatte sich dort manifestiert. Eine Prinzessin aus der Inka-Zeit, eine Person, die sich ein spezielles Leichenhemd hatte anfertigen lassen, um darin all das Grauen einzuweben, zu dem die Menschen überhaupt fähig waren.
Die Furcht schüttelte ihn.
Er ging weiter.
Laura lockte ihn, denn sie hatte die Hand vorgestreckt und bewegte den Zeigefinger.
Hinter ihr befand sich der Teich. Grün wie ein dunkles Auge und gleichzeitig so still, wie ein Wasser nur sein konnte. Die von Mücken und Fliegen umtanzte Wasserfläche wirkte wie ein düsterer Spiegel, wie der Eingang zu einer anderen Dimension.
In Johnny tobten Kräfte, wie er sie nicht kannte. Er konnte sie nicht erklären, aber er hatte das Gefühl, als wären unzählige unsichtbare Hände und Finger in seinen Körper eingedrungen, um ihn zu peinigen und seinem Leben zu zerren. Es war einfach schlimm. Er merkte, dass gewisse Funktionen nachließen. Wenn er Luft holte, bereitete ihm dies große Mühe. Auch sein Herzschlag war nicht mehr so wie sonst. Das Herz schlug mal schnell, mal langsam, also sehr unregelmäßig, und er spürte auch bei jedem Schlag einen gewissen Schmerz, der die gesamte Brust durchschnitt.
Die Kraft rann aus seinem Körper wie Wasser aus einem undichten Gefäß. Er hatte Mühe, seine Füße zu erheben. Sie schleiften bereits durch das Gras, er stolperte öfter als gewöhnlich, konnte sich aber noch immer fangen, bis zu dem Zeitpunkt, als der Schwung nach vorn einfach zu groß geworden war und er auf die Knie fiel.
In dieser Haltung blieb er auch!
Johnny hatte sich noch nach vorn beugen und sich mit den Händen abstützen können, aber sein Rücken fühlte sich an, als läge dort eine Zentnerlast.
Er atmete und jammerte.
Dieses Keuchen schien Musik in den Ohren des jungen Mädchens zu sein, denn das Lachen zeigte ihm an, wie sehr sich Laura über seinen Zustand freute.
»Du stehst dicht vor der Schwelle zum Tod, Johnny. Wie willst du sterben – wie? Soll ich es dir leicht – oder schwer machen? Los, gib mir eine Antwort!«
Er sprach nicht, er konnte nicht reden,
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