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0754 - Der Zeitsauger

0754 - Der Zeitsauger

Titel: 0754 - Der Zeitsauger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Constantin
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wühlte umständlich in seiner Lederjacke und kramte ein Päckchen Marlboro hervor. Er zündete sich eine Zigarette an und nahm einen tiefen Zug, bevor er weitersprach.
    »Okay. Entschuldigen Sie, dass ich sie aufhalte, Prof. Aber es gibt noch ein paar Dinge, die… Da gibt es ein paar Sachen, die ich der Polizei nicht erzählen konnte, weil sie…«
    Nervös fuhr der Detektiv sich durchs Haar. Es war klar, dass ihm etwas auf der Zunge brannte, das er sich nicht zu erzählen traute.
    »Ach, Scheiße!«, fluchte er schließlich. »Sie sind Parapsychologe, Sie kennen sich mit diesem Kram aus. Wenn ich der Polizei alles erzählt hätte, hätten die mich für verrückt erklärt. Aber ich dachte, Sie glauben mir vielleicht.«
    Mit zitternden Händen nahm Wilde einen Zug von seiner Zigarette. Es war offensichtlich, dass die Begebenheit, von der er erzählen wollte, ihm sehr zu schaffen machte.
    »Also gut«, meinte Zamorra. »Sagen Sie mir jetzt endlich, worum es geht.«
    »Als ich sagte, dass es keine Zeugen für einen der Morde gibt«, fing der Detektiv an, »habe ich nicht so ganz die Wahrheit gesagt.«
    »Nicht so ganz?«
    »Okay, ich habe gelogen. Aber nur, weil mir sowieso niemand geglaubt hätte, was ich… was ich gesehen habe.«
    »Sagen Sie mir irgendwann auch, was Sie so Außergewöhnliches gesehen haben, oder muss ich noch stundenlang im Regen herumstehen?«
    Wieder blickte der Detektiv nervös umher. »Um ganz ehrlich zu sein würde ich darüber lieber irgendwo anders sprechen. Ich fühle mich nicht wohl dabei, auf offener Straße über so etwas zu reden.«
    »Okay. Wir gehen in mein Hotel.«
    »Da habe ich eine bessere Idee. Ich kenne da einen Pub ganz in der Nähe…«
    ***
    Währenddessen saß eine äußerst erschöpfte Nicole Duval auf dem Boden des Büros vor einer großen Landkarte Englands. Um sie herum waren massenweise Stifte verteilt. Die Karte war kreuz und quer mit farbigen Linien überzogen.
    Nicole war irgendwann von Tee auf Kaffee umgestiegen. Allmählich hatte sie aber das Gefühl, dass der sie auch nicht mehr lange wach halten würde, wenn sie sich weiter mit dieser stupiden Malerei aufhielt.
    Sie wusste jetzt, dass dieser Mann schon seit einigen Jahrzehnten sein Unwesen trieb - so lange jedenfalls, wie überhaupt Aufzeichnungen über vermisste Personen geführt wurden und irgendwie zugänglich waren.
    Aber dieses Wissen allein half ihr nicht weiter. Es war Zeit, zu überlegen, welche Schlüsse sie aus seinen Bewegungen ziehen konnte.
    Fest stand, dass der Kerl alle paar Monate umzog. Er hielt sich nie länger als ein halbes Jahr in derselben Stadt auf. In der Regel blieb er genau genommen nur ein paar Wochen.
    Außerdem hatte es den Anschein, dass er die meisten Städte nur einmal besuchte.
    Eine Ausnahme von dieser Regel war London; in der Hauptstadt hatte der Mörder sich mehrfach und über längere Zeiträume aufgehalten.
    Verständlich, überlegte Nicole. Wenn ich ein Killer wäre, der sich durch die Tat immer wieder verjüngt, würde ich auch möglichst viel Zeit in großen Städten verbringen wollen. Zum einen ist die Anonymität in Großstädten größer. Dadurch fällt es weniger schnell auf, wenn ein paar Leute verschwinden. Außerdem gibt es eine größere Auswahl an potentiellen Opfern und mehr Möglichkeiten, sich zwischen den Morden zu amüsieren.
    Aber es gab noch eine weitere Ausnahme.
    In regelmäßigen Abständen von etwa einem Jahr tauchte der Täter in Manchester auf - weitaus öfter, als er in London war. Bis er schließlich dieses Mal für einen außergewöhnlich langen Zeitraum dort geblieben war.
    Warum ausgerechnet Manchester?, fragte sie sich.
    Nicole starrte auf die Karte Englands, bis sie begann, vor ihren Augen zu verschwimmen. Je undeutlicher die Karte wurde, desto mehr hatte Nicole den Eindruck, dass sie auf ein riesiges Netz hinabsah.
    Ein Spinnennetz, das sich über ganz England zog.
    Mit einem Mal lief es ihr kalt über den Rücken, und sie bekam eine Gänsehaut. Sie stellte fest, dass sie der Versuchung widerstehen musste, sich umzudrehen und nachzuschauen, ob sie auch allein im Zimmer war.
    Sei nicht albern!, herrschte sie sich an. Du hast schon ganz andere Sachen gesehen - und zwar, ohne dir in die Hose zu machen. Du bist nur erschöpft, das ist alles.
    Sie konzentrierte sich wieder auf die Landkarte.
    Dort, im Zentrum des Netzes, war Manchester. Der Ort, an dem die meisten Fäden zusammengingen. Der Punkt, an dem die Spinne die meiste Zeit lauerte und

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