076 - Die Nacht der Zombies
ja, was wollte er mit dieser Demonstration, die vier harmlosen Varietekünstlern das Leben gekostet hatte, beweisen?
Die rassige junge Frau schlenderte weiter über den Jahrmarkt der Magie und des Okkulten. Es eilte ihr nicht, ins Fort zu kommen. Wie ein Lauffeuer sprach es sich herum, was bei der Varietevorführung geschehen war. Das Gerücht verlieh den Ereignissen bald ungeheuerliche Dimensionen. Es hieß, Papaloa Boumba, der mächtige oberste Priester des Voodoo, hätte ein Exempel statuiert und eine ganze Schar seiner Feinde auf magische und furchtbare Weise durch Voodoo-Zauber getötet.
Zum erstenmal hörte Coco jetzt auch von der gestörten Voodoo-Feier in der Nacht.
„Das war die Rache dafür, daß Dämonen das Ritual des Papaloa auf der verfluchten Pflanzung störten", tuschelte eine Gruppe von schwarzen Arbeitern in Cocos Nähe. Sie hatten eine Freischicht in ihrer Zuckerrohrfabrik. „Die Götter des Voodoo wurden geschändet. Papaloa Boumba hat es nicht hingenommen."
„Groß ist der Papaloa!" sagte ein schlanker Schwarzer. „Keiner kommt ihm gleich!"
„Man sagt, er will sich bald zum Kaiser von Haiti ausrufen lassen", meinte ein anderer. „Sogar der Präsident fürchtet ihn."
Jetzt bemerkten die Männer, daß Coco in ihrer Nähe stand. Sie verstummten mißtrauisch. Die Geheimpolizei hatte ihre Spitzel überall; man konnte nie wissen.
Coco ging weiter. Wenn es stimmte, was sie gehört hatte, dann mußte die Fehde zwischen den Voodoo-Anhängern und der Schwarzen Familie bald ausgetragen werden. Dann saßen alle hier auf einem Pulverfaß.
Der Himmel von Haiti war strahlend blau. Aber jetzt ballten sich dunkle Wolken zusammen.
Coco wollte zum alten Fort, um mit Olivaro zu sprechen. Der viele Jahrhunderte alte, schlaue Dämon würde ihr Aufklärung geben können.
Da sah sie ein Zelt, das erst kürzlich aufgeschlagen worden sein mußte. Coco stockte. Die große Amalfi-Schau stand dort in vier Sprachen. Raffael
Amalfi, der Mann mit dem Supermagen. Der einzige Mensch dieser Erde, der kiloweise Dolche, Schwerter und Rasierklingen zu schlucken und bis zu dreißig Litern Flüssigkeit zu sich zu nehmen vermag.
Coco kannte Raffael Amalfi gut, jenes Oberhaupt einer Zigeunersippe, mit der sie in London zusammengetroffen war. Damals hatte ein Monster in Raffael Amalfis mächtigem Bauch gehaust. Das Kind der Sippenangehörigen Ramona und des aus dem Balkan stammenden Dämons Fayaz al Akbar, des Schwarzen Wesirs. Bei einer Horrororgie auf seinem Schloß hatte er Ramona geschwängert, und eine fluchwürdige Monsterkreatur war entstanden. Das Wesen hatte einige Menschen aufgefressen, bevor Dorian Hunter, der Dämonenkiller, es endlich in seinem Versteck aufstöberte und vernichtete. Danach waren Dorian und Coco in die nun von dem Fluch und dem Ungeheuer befreite Zigeunersippe aufgenommen worden.
An diese Geschehnisse mußte Coco jetzt denken. Sie war sicher, daß es sich um den gleichen Raffael Amalfi handelte. Zwei Männer dieses Namens und dieser Art gab es nicht auf der Welt.
Nach kurzem Überlegen trat Coco ins Schauzelt. Die Vorstellung war fast zu Ende.
Raffael Amalfi hatte sich nicht verändert. Es kam Coco lediglich so vor, als hätte er ein paar Kilo zugenommen. Aber das konnte auch daran liegen, daß er im Laufe der Vorstellung eine Menge Zeug in sich hineingeschlungen hatte.
Gerade aß er ein Glas mit Rasierklingen, als sei es eine Delikatesse. Drei scharfe, zweischneidige Dolche folgten und ein paar Handvoll Glasscherben. Zuletzt schob er noch einen Degen hinterher. Die spärlich bekleidete blonde Frau, die mit ihm auf der Bühne stand, trat nun ans Mikrofon. Raffael Amalfi stand mit ausgebreiteten Armen da. Sein Bauch wölbte sich wie eine Kugel und blähte das weite Hemd.
„Meine Damen und Herren", sagte die Blondine auf französisch. „Als Abschluß und Krönung seiner Schau wird Raffael Amalfi jetzt noch ein Beidhandschwert hinunterschlucken. Das hat vor ihm noch keiner geschafft. Ich bitte um Ihre Aufmerksamkeit und absolute Ruhe. Achtung! Es folgt die Abschlußglanzleistung des größten Schwert- und Feuerschluckers, des berühmtesten und besten Allesfressers dieser Erde."
Um Superlative waren die Leute aus dem Schau- und Varietegeschäft nie verlegen:
„Raffael Amalfi!" rief die Blondine mit etwas zu schriller Stimme.
Sie ging zu der großen Utensilienkiste und nahm eine zwei Meter lange brasilianische Lanzenschlange heraus. Coco wollte ihren Augen nicht trauen. Die blonde Frau
Weitere Kostenlose Bücher