076 - Die Nacht der Zombies
im Innenhof der alten Pflanzung versammelt. Die verfallenen Gebäude stammten aus dem 18. Jahrhundert. Ein Franzose namens Jacques du Luc hatte die Pflanzung gegründet. Auf dem Höhepunkt seiner Macht waren er und seine Familie von einem Sklavenaufstand hinweggefegt worden. Sie waren die ersten einer langen Reihe von Opfern, die auf diesem verfluchten Land den Tod fanden. Jetzt war die Plantage seit mehr als drei Jahrzehnten verwaist.
Die Menschen mieden sie. Es hieß, daß die Geister der Toten hier umgingen.
Gerade aus diesem Grund hielt Papaloa Boumba die Zeremonie hier ab. Er wollte seinen Ruf noch mehr festigen, sein Ansehen bei seinen Anhängern weiter stärken. Er, Papaloa Boumba, bot den Mächten der verfluchten Plantage die Stirn.
Er nahm nun das lange Opfermesser aus der Hand seines Hungan entgegen und vollzog mit einer blitzschnellen Bewegung die Opferung.
Die Tänzer schrien und heulten ekstatisch. Ihre Augen waren weit aufgerissen, die Glieder zuckten, als würden sie von unsichtbaren Fäden bewegt.
Der Stier brüllte. Er wollte sich losreißen. Acht Männer hielten ihn jetzt am Strick, und er schleifte sie über den Boden.
Dann ließ seine Kraft nach. Die Beine knickten ein. Eine Weile kniete er, dann fiel er schwer zur Seite.
Papaloa Boumba stützte die linke Hand auf das eine Horn des Stiers und reckte das Messer hoch empor.
„Papa Legba!" schrie er. „Mittler zwischen Göttern und Menschen! Nimm dieses erste Opfer! Schicke sie alle! Damballa, Agwe, Azaka-Tonnerre, Ogun Ferraile, Ogun Badagri und Ezili, die Göttin der Liebe! Laß sie in die Körper ihrer Diener fahren! Laß uns ihre Pferde sein, ihre Chevals, laß sie uns reiten!"
„Laß sie uns reiten, Papa Legba!" schrien die Tänzer. „Laß sie uns reiten, Papa Legba!"
Immer wieder schrien sie die gleichen Worte im Takt der Trommeln, untermalten die Anrufung mit schrillen oder dumpfen Lauten.
Auf einen Wink Papaloa Boumbas kamen weitere Hungans herbei. Sie brachten die weißen Hühner und Tauben und begannen, sie zu opfern. Federn wirbelten auf.
Ein Hungan und eine Mambo hielten Papaloa Boumba eine große, mit Ziselierungen versehene Kupferschale entgegen. Er griff nach einem Palmwedel, tauchte ihn in die Flüssigkeit und besprengte damit die Tanzenden.
„Voodoo Legba!" schrie er mit hallender Stimme. „Voodoo Loa Bon Dieu! Voodoo Loa!"
Ein rasender Trommelwirbel folgte. Die Kürbisrasseln wurden wie toll geschüttelt. Die Tänzer schrien sich die Kehlen heiser, stampften mit den Füßen auf und verdrehten die Augen. Die wilde, exotische Zeremonie erreichte ihren Höhepunkt.
„Voodoo Loa!" schrie Papaloa Boumba noch einmal.
Seine Anhänger steckten das Kreuz mit dem waagerechten Querbalken im Hintergrund, das Symbol Papa Legbas, in Brand und heulten verzückt auf, als die Flammen hochloderten.
Manche der Voodoo-Tänzer wurden nun von ihren Göttern geritten. Sie waren besessen, waren davon überzeugt, daß ein Gott in sie gefahren war. Mit Bewegungen und Gesten versuchten sie, Eigenart und Rang dieses Gottes darzustellen.
Die anderen Tänzer betrachteten sie neidvoll, denn es galt als hohe Ehre, von einer Gottheit geritten zu werden. Sie umtanzten die „Chevals", die „Pferde". Manche stellten ihnen Fragen.
Papaloa Boumba betrachtete das Treiben mit verschränkten Armen. Viele Loas - Gottheiten - hatten ihm die Ehre gegeben.
Ein kräftiger Mann saß auf dem Boden und machte Ruderbewegungen. Er hatte die Augen geschlossen, und Schaum stand in seinen Mundwinkeln. Er sang ein Seefahrerlied in einem afrikanischen Stammesdialekt, den er nie gehört hatte. Agwe, der Herr der Meere, war in ihn gefahren. Eine dicke Frau kroch mit schlangengleichen Windungen über den Boden, ihre Brüste schleiften im Staub, ihre Augen waren geschlossen, ihre Zunge stieß blitzschnell vor und zurück.
„Damballa ist in ihr!" kreischte ein dürres altes Weib. „Der Gott der Fruchtbarkeit reitet sie!"
Und eine hübsche Mulattin mittleren Alters warf sich vor der kriechenden Dicken nieder und umklammerte sie.
„Damballa!" heulte sie. „Ich will ein Kind haben. Mein Mann wird mich verstoßen, wenn ich weiter unfruchtbar bleibe. Was soll ich tun, um Mutter zu werden?"
Die Dicke schaute sie mit starren Augen an und sprach unzusammenhängende Silben und Worte, die niemand verstand.
„Bade in den Vollmondnächten in einem Sud aus gekochten Kröten und Alraunenwurzeln!" sagte die dicke Frau nun in haitianischem Französisch. „Nach den
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