0760 - Die Geisterfee
Tür.
Nicht einmal sehr vorsichtig, sondern ziemlich schwungvoll. Die Frau schien ahnungslos zu sein.
Ideal für den Killer.
Noch stand Cussler an der Seite. Als die Tür aufschwang, ging er einen Schritt vor.
Er sah die Frau, und er wußte, daß er gewonnen hatte, denn das Erschrecken auf ihrem Gesicht lähmte die Bewegungen. So etwas nutzte Cussler immer aus.
Alexas Erschrecken verwandelte sich in die absolute Starrheit, als sie den Druck der Waffenmündung genau am Kinn spürte und entsprechend reagierte.
Mit steifen Bewegungen wich sie zurück. Im Gegensatz zu Cussler. Er ging geschmeidig wie ein Raubtier, vor allen Dingen lautlos, und er drückte sie in den Flur hinein.
»Keinen Laut!«
Sie hätte auch keinen Schrei über die Lippen gebracht, das Auftauchen des Mannes hatte sie zu stark überrascht. Durch den Schock konnte sie nicht einmal einen klaren Gedanken fassen.
Der Killer schaute sich um.
Es genügen ihm zwei Sekunden, um erkennen zu können, daß er und sein Opfer allein waren. Er sah zwar die offenen Türen, die aber waren sicherlich wegen der Wärme geöffnet worden.
Ein Luftzug wehte durch das Haus.
Cussler verzog nicht einmal die Mundwinkel, als er seine Waffe über Alexas Gesicht gleiten ließ. Er tat dies mit beinahe sanften Bewegungen, als wollte er eine warme Haut kühlen. Er beobachtete dabei die Augen seines Opfers. In ihnen war oft genug zu erkennen, wann und wie die jeweilige Person reagieren würde.
Noch sah er da nichts.
Erst als die Waffe die Stirn berührte, veränderte sich der Blick. In ihn kehrte ein gewisses Maß an Begreifen zurück. Jetzt hatte Alexa Santos bemerkt, welches Schicksal ihr bevorstand. Wahrscheinlich war ihr auch der kurze Telefonanruf eingefallen.
Begreifen und anschließende Reaktion folgten dicht aufeinander. Cussler konnte sich keine Sekunde mehr erlauben. Und sein Zeigefinger war immer schneller.
Nicht so schnell, wie er es gern gehabt hätte. Der Schrei klang schon auf. Spitz und dumpf zugleich.
Und zu früh.
Er schoß.
Es war kaum etwas zu hören. Der Schalldämpfer arbeitete perfekt. Er schluckte so gut wie alle Geräusche. Cussler erlebte die nächsten Augenblicke sehr intensiv, wie einen in Zeitlupe vorgeführten Film, in dem er die Hauptrolle spielte.
Alexa Santos kippte nach hinten. Dabei schien sie sich nur äußerst zäh vom Schalldämpfer zu lösen.
Er sah den sauberen Einschuß über den Augen und genau auf der Stirn, aber er sah noch mehr. Ein helles Blitzen, als hätte sich ein Sonnenschein in der Wunde verfangen. Cussler wußte dies nicht zu deuten. Er schaute dem Frauenkörper nach, der einen Drall bekommen hatte und mit der rechten Seite zuerst auf den Boden schlug. Er sah auch kein Blut, aber diese Dinge registrierte er nur mehr am Rande, viel wichtiger war etwas anderes.
Ein Besucher erschien.
Er kam aus den hinteren Räumen. Wahrscheinlich hatte er sich auf der Terrasse aufgehalten und war durch den Schrei der Frau mißtrauisch geworden.
Keine Zeugen!
Cussler hatte stets so gehandelt. Deshalb war er auch auf seine Art so erfolgreich gewesen und war nicht ermittelt worden.
Auch hier würde sich nichts ändern.
Er zielte und schoß!
***
Ich hatte den leisen Schrei der Frau gehört, dann einen dumpfen Aufschlag, und ich wußte aus Erfahrung, was da hätte geschehen sein können. Etwas Schreckliches, Furchtbares, denn derartige Geräusche waren mir nicht neu.
Auch ich brauchte eine gewisse Zeit, um den Schock zu überwinden. Ich kam mir zudem vor, als wäre ich aus der normalen Gegenwart herausgerissen worden. Irgend etwas in meinem Innern sträubte sich dagegen, gewisse Dinge zu akzeptieren. Ich wollte einfach den Tod und das mörderische Ende nicht wahrhaben.
Nicht in dieser Wohnung, nicht in dieser Idylle. Aber darauf nahmen Killer keine Rücksicht. Bei dem toten Jungen hatte ich es leider auch erleben müssen.
Alexa Santos lag auf dem Boden. Obwohl ich sie nur aus einer gewissen Distanz sah, wußte ich sofort, daß sie nicht mehr lebte. Die Wahrheit traf mich wie ein Schwall, aber darum durfte ich mich nicht kümmern, denn Alexa war nicht allein.
Ihr Mörder war noch bei ihr.
Sie lag, er kniete.
Und er hatte die Waffe.
Wir sahen uns zugleich. Für ihn gab es nur eine Alternative. Er mußte mich, den Zeugen, aus dem Weg räumen. Und wieder erlebte ich die Szenerie so zeitlupenhaft langsam. Er riß die Waffe hoch und war viel schneller als ich es je geschafft hätte, an die Beretta heranzukommen. Während einer
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