0760 - Die Geisterfee
sich aus seinem Mund. Er warf sich zur Seite und fiel dabei noch ineinander, um ein möglichst kleines Ziel zu bieten. Während er fiel, wirbelte er herum. In der rechten Hand hielt er die Waffe mit dem Schalldämpfer.
Ich war trotzdem schneller, denn alle Chancen standen auf meiner Seite. Zudem hatte ich seine Aktion schon im voraus geahnt, und ich mußte jetzt schießen.
Im Flur krachte der Schuß überlaut. Ich sah, wie der Killer zusammenzuckte. Wo ihn das Geschoß erwischt hatte, konnte ich nicht sehen. Es schien noch in seinem Körper zu stecken. Die Lifttür war wieder zugefallen. Der Killer kippte gegen die Verkleidung. Vergeblich hatte er versucht, sich festzuhalten, doch die Kraft hatte ihn verlassen. Dann sah ich das Blut. Es hatte an der Tür einen schmierigen Streifen hinterlassen.
Der Mörder schlug auf.
Er hielt seine Waffe noch fest wie einen letzten Rettungshalm. Und er versuchte, sie in meine Richtung zu drehen. Die Jacke stand offen, und auf dem weißen Hemd schimmerte der rote Fleck, nicht einmal weit vom Herzen entfernt.
In seinem Gesicht stand der Haß. Unter dem Schweißfilm zeichnete er sich deutlich ab. Er wollte mich niedermachen, doch die Kraft verließ ihn. Er bekam seine Waffe nicht mehr in die Höhe. Zwar bewegte sie sich, doch dann rutschte sie ihm aus der Hand und blieb liegen. Noch einmal verzerrte sich sein Gesicht. Er öffnete den Mund, röchelte mir etwas entgegen, dann erschlaffte die Gestalt.
Der Killer war tot!
Ich atmete zuerst tief ein, dann ebenso tief wieder aus. Danach überkam mich das Zittern. Ein Schock, der die Spannung löste. Es hätte auch anders kommen können, doch ich hatte wieder einmal riesiges Glück gehabt.
Ich lehnte mich gegen die Wand und mußte mich ausruhen. Das Zittern war nach wie vor da, aber es ging auch vorbei. Ich näherte mich dem Killer und fing mit einer Untersuchung an. Viel Hoffnung hatte ich dabei nicht, denn diese Killer sind mit allen Wassern gewaschen. Sie tragen nie etwas bei sich, das sie hätte identifizieren können. Bargeld und einen Autoschlüssel fand ich, mehr nicht.
Ich ärgerte mich darüber, daß ich ihn tödlich getroffen hatte. Viel lieber hätte ich ihn kampfunfähig geschossen und unseren Experten zum Verhör überlassen. Nicht nur ich wäre in diesem Fall weitergekommen, bestimmt hätten sich auch andere, bisher ungelöste Mordfälle lösen lassen können. So aber waren wir die Dummen.
Ob der Schuß gehört worden war, wußte ich nicht. Jedenfalls tauchten keine Neugierigen auf. Eines stand fest. Es hatte schon drei Tote gegeben, wenn ich den Jungen mitzählte, und jetzt war die Spur abgerissen, kaum daß der Fall überhaupt richtig begonnen hatte.
Das wiederum ärgerte mich, denn wir mußten wieder ganz von vorn anfangen. Wo konnte der Faden wieder aufgenommen werden?
Bei Alexa Santos.
Die aber war tot. Deshalb mußten wir in ihrem vergangenen Leben herumstöbern. Möglicherweise fanden wir dort einen Hinweis, der uns weiterbrachte.
Nur, so fragte ich mich, wohin hätte er uns bringen sollen? Hatte der Teufel, von dem sich Alexa ja verfolgt fühlte, durch ihren Tod nicht sein Ziel erreicht? Wenn ja, dann wäre der Fall hiermit abgeschlossen gewesen.
So aber dachte ich nicht, weil ich mich auch von meinem Gefühl leiten ließ und nicht nur rational überlegte. Ich wurde den Eindruck nicht los, daß mehr dahintersteckte. Möglicherweise hatten wir auch etwas übersehen, vielleicht kam ich auch durch Bill Conolly weiter. Er hatte die Frau zwar kaum gekannt, zumindest aber besser als ich.
Daß der Teufel einen Killer beauftragte, war höchst selten. Ich dachte auch über dessen Motiv nach.
Es fiel mir nicht leicht, mir vorzustellen, daß er unter all seinen Vasallen niemand für diesen fürchterlichen ›Job‹ gefunden hatte. Vielleicht wollte er auch, daß hinter dem Mord an Alexa Santos nicht er vermutet wurde.
Wie dem auch war, ich ging davon aus, daß mir eine sehr schwere Aufgabe bevorstand.
Noch einmal warf ich einen Blick auf den Toten. Dann ging ich mit schwer wirkenden Schritten die Treppe wieder hoch…
Ein Zombie!
***
Dieser eine Gedanke schoß dem Reporter durch den Kopf, als er sah, wie die Tote ihren Arm bewegte. Eine lebende weibliche Leiche, ein Wesen, das den Tod überwunden hatte und von nun an alles haßte und vernichten wollte, was menschlich war.
Bill kannte sich mit lebenden Leichen aus. Er wußte, wie brutal und gefährlich sie waren. Sie interessierte kein anderes Leben mehr. Sie
Weitere Kostenlose Bücher