0760 - Die Geisterfee
entgegen, als wollte sie eintauchen in das strahlende Licht des Jenseits.
Bill Conolly rührte sich nicht. Er stand da wie eingerostet. Auch wenn er es gewollt hätte, es wäre ihm nicht möglich gewesen, die Person zu verfolgen. Sie hatte einen Zauber hinterlassen, der ihn einfach lähmte.
Irgendwann war es dann soweit. Alexa Santos und das Licht der Sonne bildeten eine Einheit. Sie war nicht mehr zu sehen, die strahlende Helligkeit hatte sie geschluckt.
Bill erwachte wie aus einer tiefen Trance, als er die Türklingel hörte. Erst jetzt dachte er wieder an seinen Freund John Sinclair und auch an den Killer, und er hätte es eigentlich eilig haben müssen, was normal gewesen wäre, aber Bill drehte sich sehr langsam um, als würde ihm jede Bewegung schwerfallen.
Dann ging er zur Tür.
Nachdenklich, mit seinen Gedanken ganz woanders. Er schien sich überhaupt nicht bewußt zu sein, was er da tat.
Er öffnete.
Seinen Freund nahm er wie einen Schatten war. John huschte direkt an ihm vorbei, Bill schloß die Tür, und er hörte die Frage des Geisterjägers.
»Wo ist denn die Tote?«
»Weg«, sagte Bill nur…
***
Weg also!
Ich hatte die Antwort gehört und kam mir vor wie jemand, der von einer anderen Person auf den Arm genommen werden sollte. Die Tote war weg, sie hatte sich in Luft aufgelöst, sie war geflogen oder…
Mir lag eine scharfe Frage auf der Zunge, aber ich schluckte sie runter, denn Bill hatte sich umgedreht, so daß ich jetzt in sein Gesicht schauen konnte. Der Ausdruck darin sagte mir genug.
Er hatte nicht gelogen, er hatte sich die Antwort nicht aus den Fingern gesaugt. Wenn ja, dann hätte er mich anders angesehen. So aber las ich die Wahrheit in seinem Blick.
Dennoch mußte ich mich erst zurechtfinden, denn mit einer derartigen Veränderung hatte ich nicht gerechnet. »Weg also. Sie ist tatsächlich weg.«
»Ja.«
»Aber sie war tot.«
Bill Conolly senkte den Blick. »Das… das war sie tatsächlich«, murmelte er.
»Was passierte?«
Er kam auf mich zu. Seine Stirn gefurcht, die Augenbrauen wuchsen in die Höhe. Wie ein Roboter ging er, und eben setzte er sich auch in den Sessel. Mit dem Gesicht dabei zur Terrasse. Er deutete in diese Richtung und flüsterte: »Dort ist sie hingegangen, John. Da genau ist sie dann verschwunden.«
Ich hätte mir die Haare raufen können. Daß ich es nicht tat, lag daran, daß ich Bill kannte. Ich wußte, daß ich einen normalen Menschen vor mir hatte und keinen Spinner.
»Bleib du hier«, sagte ich ihm und steuerte die offene Terrassentür an.
Daß wir all die Vorgänge nicht geträumt hatten, bewiesen die Vasenscherben, die auf dem Teppich lagen. Beinahe wäre ich noch in sie hineingetreten.
Ich blieb für einen Moment an der offenen Tür stehen und schaute in das Sonnenlicht. Dann holte ich die dunkle Brille hervor und setzte sie auf. Jetzt war es besser.
Mit schleichenden Schritten betrat ich die Terrasse, sah mich dort wieder um, und schon nach den ersten Sekunden schüttelte ich den Kopf. Bill hatte recht gehabt. Von Alexa Santos war keine Spur mehr zu sehen. Sie hatte sich in Luft aufgelöst, sie war vielleicht über den Rand der Terrasse geklettert, aber das wiederum kam mir aus dem sechsten Stock ebenfalls unwahrscheinlich vor.
Ich suchte trotzdem die Terrasse ab und bewegte mich dabei parallel zur Brüstung, aber ich entdeckte nicht einen Hinweis, der auf das Verschwinden der Alexa Santos hingedeutet hätte.
Ziemlich frustriert kehrte ich wieder zu meinem Freund zurück. Ich fand ihn im Sessel sitzend und nachdenklich an einem Cognac nippend. »Den brauchte ich einfach auf den Schock«, sagte er, als ich mich ebenfalls hinsetzte.
»Und ich brauche eine Erklärung«, sagte ich.
»Keine Sorge, die bekommst du, John.«
Als Bill redete, sprach er leise, denn nach wie vor stand er unter dem Eindruck des Erlebten. Haarklein berichtete er mir von seinem kaum faßbaren Erlebnis, immer wieder unterbrochen von kleinen Schlucken aus dem Glas.
Ich konnte zuhören, unterbrach Bill mit keiner Frage, und als er schließlich geendet hatte, stand ich auf und holte Versäumtes nach. Ich alarmierte die Mordkommission. Mein Freund Tanner war baff, als er hörte, wo er die nächste Leiche abholen konnte.
»Das ist ja beinahe im Nebenhaus.«
»So ungefähr.«
»Dann könnten die beiden Toten in irgendeiner Verbindung gestanden haben, so unwahrscheinlich dies auch sein mag.«
»Ja, das ist möglich.«
»Okay, ich bin so schnell wie möglich bei
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