0761 - Der Angst-Atmer
Eigenschaft als Dämonenjäger nicht forderten. Aber: Die Muße wurde ihm, wie er sich am dritten Tage eingestehen musste, doch langsam etwas zu viel.
Es war ihm zu ruhig im Schloss seiner Ahnen, und er fühlte sich ein bisschen einsam. Er war nicht fürs Alleinsein geschaffen, und ebenso wenig dazu, längere Zeit am Schreibtisch zu sitzen und Arbeiten nachzugehen, die einem Professor - ob nun der Parapsychologie oder sonst eines Fachgebiets - bestimmt waren.
Die vergangenen paar-Tage hatten ihm genügt, um seine innere Batterie nach den kräftezehrenden Aktionen der jüngsten Vergangenheit wieder aufzuladen.
Die Zerstörung des Beaminster-Cottage, die Zeitreise, die ihn und Nicole zur Tunguska-Katastrophe geführt hatte, der Zeitsauger, das erneute Auftauchen der rätselhaften Eva und der Kampf gegen Dämonen, die die Koboldwelt erobern wollten - all das hatte Kraft und Nerven gekostet. Speziell die Sache mit der Koboldwelt war absolut nervtötend gewesen. Die über einen Regenbogen zur Erde gelangten Koboldmädchen hatten alles auf den Kopf gestellt, was nur eben möglich war.
Und ausgerechnet Eva mit ihrer eigenartigen Para-Gabe hatte Zamorra das Leben gerettet.
Eva, die bei jeder Begegnung jünger war, die offenbar rückwärts lebte… die Geheimnisvolle, von der Zamorra nur wusste, dass sie anscheinend Merlins Tochter war. Nun war sie ein weiteres Mal verschwunden. Er fragte sich, wann sie erneut auftauchte - seiner Erfahrung nach musste das nun in der Koboldwelt sein - und wie jung sie dann sein würde.
Er hatte einen Dämon kennen gelernt, der in der Lage war, ebenso wie Asmodis seine Hand von sich zu schleudern und in seinem Sinne selbständig agieren zu lassen. Nur war das bei diesem Dämon scheinbar normal, während Asmodis eine künstliche Hand besaß.
Besessen hatte, um es genau zu sagen. Diese künstliche Hand war zerstört worden, als ein von der Dämonin Stygia manipulierter Mensch versucht hatte, Asmodis umzubringen.
Der nun einhändige Ex-Teufel hatte sich daraufhin erst einmal zurückgezogen. Zamorra konnte es ihm nicht verdenken. Asmodis musste sich erst einmal auf die neue Situation einstellen. Zudem war er immer noch von dem heimtückischen Schuss Calderones mehr geschwächt, als er sich selbst und anderen gegenüber zugeben wollte. Zamorra war sicher, dass Asmodis Merlins Regenerationskammer viel zu früh verlassen hatte.
Jetzt machte sich der Tatendurst in Zamorra wieder bemerkbar, er konnte oder wollte nicht mehr stillsitzen. Und er vermisste ein wenig den Trubel, den vor allem der kleine Rhett und Fooly im Château bisweilen veranstalteten Am meisten aber fehlte ihm Nicole, die ihm mehr war als Sekretärin, Lebensgefährtin und Partnerin im Kampf gegen die finsteren Mächte. Sie war ein Teil seiner selbst. Er hätte ohne sie nicht mehr leben können, so wenig, wie er ohne Herz hätte leben können…
Bei diesem Gedanken grinste Zamorra seinem vagen Spiegelbild auf dem Fensterglas zu. »Wenn’s mit der Dämonenjagd mal nicht mehr klappt, kann ich mich ja als Autor von Liebesschmonzetten verdingen.«
Draußen zog ein Tag seinem Zenit entgegen, der sich aus dem Herbst in den kalendarischen Sommer verirrt zu haben schien: Nieselregen, Nebel, Himmel und Landschaft trugen Grau, das auch die Loire und das kleine Dorf im Tal verschlungen hatte.
Zamorra verzog das Gesicht. Dieses Mistwetter schlug ihm aufs Gemüt.
Er sah auf die Uhr. Es war fast Mittag, und er verspürte etwas Hunger. Einen Moment lang überlegte er, sich in der Küche etwas zuzubereiten oder William darum zu bitten. Madame Claire, der Köchin, die drunten im Dorf wohnte und für gewöhnlich täglich heraufkam und sich um das leibliche Wohl der Schlossbewohner kümmerte, hatte er freigegeben - bei voller Lohnfortzahlung, da ließ er sich nicht lumpen. Solange Nicole und die anderen Urlaub machten, konnte man der Köchin ruhig auch etwas freie Zeit gönnen.
Als zwölf Schläge einer Standuhr durchs Gemäuer dröhnten und die volle Mittagsstunde verkündeten, beschloss Zamorra jedoch, hinunter ins Dorf zu fahren, um in Mostaches Kneipe einen Imbiss und ein Viertel Wein zu sich zu nehmen - oder auch deren zwei…
Über Visofon, sowohl als hausinterne Sprechanlage wie auch für externe Telefonate nutzbar, rief er Butler William. Er erklärte ihm, wo er in den nächsten ein, zwei Stunden anzutreffen sei. Er würde sich nötigenfalls melden, falls er einen Fahrer brauchte, weil es nicht bei nur einem Glas Wein geblieben
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