0761 - Der Angst-Atmer
komfortabel erreichen zu können.
Dort wollte Zamorra heute allerdings nicht hin. Vielleicht würde er auf dem Rückweg am Castle kurz Halt machen, um nach dem Rechten zu sehen. Schließlich stand das Anwesen leer, seit Lady Patricia Saris, Sir Bryonts Witwe, und ihr Sohn Rhett vor einigen Jahren ins Château Montagne übergesiedelt waren.
Dort war der Junge einfach besser zu schützen, und das war auch notwendig. Immerhin war er der Nächste in der so genannten Erbfolge, und in ihm war nicht nur sein Vater wiedergeboren, nein, er trug die Erinnerungen aller Inkarnationen von Lord Saris ap Llewellyn in sich.
Das wiederum ahnte Rhett heute noch nicht, diese Tatsache würde ihm erst während der Pubertät bewusst werden, ebenso wie seine parapsychischen und magischen Fähigkeiten. Und irgendwann würde er dann seiner Bestimmung als Erbfolger gerecht werden und Auserwählte an die Quelle des Lebens führen müssen. Dort würde einer dieser besonderen Menschen die relative Unsterblichkeit erlangen. So wie Zamorra vor vielen Jahren von Rhetts Vater Bryont zur Quelle gebracht worden war…
Deshalb hatten es die Vertreter der Hölle darauf abgesehen, den jungen Lord zu töten, ehe er seine Aufgabe übernehmen konnte. Zögen sie ihn aus dem Verkehr, wäre die Erbfolge beendet, und es würde keine relativ unsterblichen Menschen mehr geben, die sich gegen die Schwarze Familie wenden konnten.
Dass es dazu nicht kam, war wiederum eine von Zamorras Aufgaben. Das war er Sir Bryont schuldig, der ihn nicht nur zur Quelle geführt hatte, sondern auch sein Freund gewesen war und ihn sogar in den Llewellyn-Clan adoptiert hatte.
Jetzt aber hatte Zamorra es eilig. Seine Recherchen und Reisevorbereitungen hatten einiges an Zeit gekostet, und obwohl es in Schottland eine Stunde früher war als in Frankreich, neigte sich der auch hier trübe Tag bereits seinem Ende zu.
Zamorra wollte möglichst vor Einbruch der Dunkelheit in Cardigan Hall eintreffen. Wenn er es dort nämlich tatsächlich mit einem handfesten Spuk zu tun bekam, war davon auszugehen, dass der vorwiegend nachts aktiv wurde. Und somit mochte es auf jede Stunde ankommen.
Er verstaute sein Gepäck in dem alten Rolls Royce, dann steuerte er den Oldtimer über Feldwege zur Straße und vorbei an den Hügeln, hinter denen Caer Llewellyn verborgen lag.
Hätte Zamorra sich etwas später, an einer Stelle, die einen Blick auf das Castle erlaubte, umgedreht, hätte er seinen Kurs sicher geändert.
Dann nämlich hätte er gesehen, dass hinter einem Fenster der vermeintlich unbewohnten Burg Licht brannte…
***
»Na, da bin ich ja doch nicht so mutterseelenallein in dieser Ecke der Welt, wie’s den Anschein hat«, sagte Julian Peters zu sich selbst, als er die Hecklichter des fremden Autos auf der schmalen, kurvenreichen Straße talwärts verschwinden sah.
Er trat vom Fenster weg, aus dem er grübelnd in den sterbenden Tag hinausgeschaut hatte, und sehnte sich fast ein wenig nach dem Silbermond zurück. Dort hatte ihm wenigstens Vali Gesellschaft geleistet, und auch mit dem geheimnisvollen Philosophen Padrig YeCairn, seines Aussehens wegen auch Gevatter Tod genannt, hatte er sich unterhalten können.
Es war nun schon einige Zeit her, dass er den Silbermond verlassen hatte. Die Traumwelt, in der sich der Silbermond befand, blieb auch bestehen, wenn Julian nicht vor Ort war. Das immerhin war das Besondere seiner Träume: Sie wurden real oder konnten es zumindest werden, wenn er es wollte.
Seit seinem Abschied vom Silbermond lebte der Träumer wieder in Caer Llewellyn, wo er sich schon einmal eingenistet hatte, damals, bevor er sich auf dem Silbermond niederließ. Das Castle des Llewellyn-Clans stand leer und ihm somit zur Verfügung. Es bot ihm hinreichend Komfort, um sich wohl fühlen zu können. Und was ihm fehlte, konnte er sich dank seiner Para-Gabe schließlich einfach »herbeiträumen«.
Nur die Einsamkeit konnte ihm seine Träume nicht wirklich vertreiben…
Aber andererseits hatte er ja auch nicht vor, ewig hier zu bleiben. Llewellyn Castle war nur eine Zwischenstation oder seine Ausgangsbasis, von der aus er seinen aktuellen Plan in Angriff nehmen wollte - er wollte immer noch das Geheimnis um die Existenz LUZIFERS lüften.
Bislang aber war Julian diesem Ziel noch keinen Schritt näher gekommen, allen Bemühungen zum Trotz…
Dass es ihm von der Erde aus gelingen würde, Asmodis in dessen Traum durch die Flammenwand und direkt vor LUZIFERS Thron zu folgen, hatte
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