0761 - Der Angst-Atmer
unüberhörbar.
»Ein Zimmer, bitte, wenn’s möglich wäre«, antwortete Zamorra, der seine Überraschung inzwischen verdaut hatte. Von seiner Erscheinung her erinnerte sein Gegenüber an Lurch, den Diener aus dem-TV-Klassiker »The Addams Family«. Eine zweifelsfrei beabsichtigte Ähnlichkeit.
»Haben Sie reserviert, Sir?«, erkundigte sich der Riese.
»Nein. Ist Ihr Haus denn ausgebucht?«
Der livrierte Hüne schüttelte den Kopf, eine Bewegung, die trotz seiner eher schlaksigen Gestalt etwas von einer Drohgebärde hatte. »Nein, Sir. Wenn Sie mir bitte folgen wollen?« Er gab die Tür frei und machte eine einladende Geste, und auch diese hätte auf ängstliche Gemüter seiner schieren Größe wegen einschüchternd wirken können.
Zamorra bedankte sich mit einem Nicken, trat ein - und fand sich abermals überrascht.
Die Eingangshalle, die sich links und rechts ins Dunkle erstreckte und somit endlos weit schien, war erschreckend echt auf unheimlich getrimmt. Zamorra sah viel Staub, Spinnweben, eine Sitzgarnitur mit zerschlissenen Polstern. Und dazwischen, wie zufällig platziert, Kerzen, die mehr Schatten als Licht schufen.
»Hier entlang, bitte«, sagte der Riese und ging mit schweren, schlurfenden Schritten vor Zamorra her, nachdem er ihm das Gepäck abgenommen hatte »Mein Name ist Cove, und wenn ich etwas für Sie tun kann, lassen Sie es mich bitte wissen.«
»Danke, sehr freundlich, Mister Cove«, entgegnete Zamorra.
»Einfach nur Cove, Sir.«
Der Diener trat geduckt hinter einen zerschrammten und staubigen Tresen, der als Rezeption diente und auf dem ein altmodischer Telefonapparat stand. Zamorra trug sich mit Federkiel und Tinte ins Gästebuch ein, eine uralte Schwarte mit vergilbten Seiten, und bezahlte bar für zwei Übernachtungen. Anschließend führte Cove ihn nach rechts ein Stück in die Düsternis der Halle, aus der sich nach ein paar Schritten eine nach oben führende Treppe schälte.
Im Licht eines Kerzenleuchters, den Cove trug und der in seiner Pranke wirkte, als gehöre er eigentlich in eine Puppenstube, stieg Zamorra die ausgetretenen Steinstufen hinauf.
Außer ihren-Schritten war nichts zu hören, und Zamorra fragte sich, was die anderen Gäste wohl trieben. Immerhin musste es einige geben, wie die Belegung des Parkplatzes draußen bewies.
Er zuckte die Schultern. Vielleicht waren sie ja noch nicht im Haus und auf einer Wanderung oder spazieren. Schließlich wurde es draußen gerade erst dunkel.
Im ersten Stock gingen sie einen Flur hinunter, der ähnlich verwahrlost wie die Eingangshalle wirkte. Hinter Vorhängen aus Spinnennetzen lugten unfreundliche Gesichter mit teils auffallend großen Augen hervor - alte Porträts von Menschen, die irgendwann einmal in Cardigan Hall gelebt haben mochten. Ihren finsteren Mienen nach zu schließen waren sie hier nicht sehr glücklich gewesen - oder es missfiel ihnen, was aus ihrem einstigen Heim geworden war.
Was Zamorra allmählich nachvollziehen konnte. Mochte die ganze Umgebung auch nicht wirklich Grund zur Angst geben, fühlte er sich doch zunehmend unwohler. Dagegen feite ihn auch seine jahrelange Erfahrung im Umgang mit Geistern, Gespenstern und Dämonen nicht…
Vor einer der Türen links und rechts des Korridors, die so niedrig waren, dass auch eine durchschnittlich große Person Gefahr lief, mit dem Kopf gegen den Sturz zu stoßen, blieb Cove schließlich stehen. Neben ihm nahm sich die Tür noch winziger aus, sie reichte ihm gerade bis knapp unter die Kehle.
»Zimmer einhundertdreizehn«, sagte er, schloss die Tür auf und ließ sie aufschwingen. »Bitte sehr, Sir.«
Dreizehn, dachte Zamorra. Ein Glück, dass ich nicht abergläubisch bin…
Er ging an Cove vorbei und zog den Kopf etwas ein, um in das Zimmer zu treten. Doch einen halben Schritt hinter der Schwelle hielt er inne, als wäre er vor eine unsichtbare Wand gelaufen.
Merlins Stern reagierte und erwärmte sich.
Und auf seinem Bett lag ein Toter.
***
Mostache war auf halbem Wege durch die Gaststube, um die Eingangstür abzuschließen, als sie am Ende dieses unergiebigen Tages doch noch einmal geöffnet wurde. Ein Gast schneite herein - auf den ersten Blick zu Mostaches Überraschung, auf den zweiten zu seinem Verdruss.
»Wenn man vom Teufel spricht…«, murrte der Wirt mit sauertöpfischer Miene.
»… kommt er oder kommt er nicht!«, sprach Sid Amos strahlend aus, was Mostache eigentlich gar nicht hatte sagen wollen.
Der ehemalige Fürst der Finsternis betrat
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