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0761 - Der Angst-Atmer

0761 - Der Angst-Atmer

Titel: 0761 - Der Angst-Atmer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Timothy Stahl
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schon ganz nahe.
    Zamorra lief schneller, auch auf die Gefahr hin, mit dem Kopf irgendwo gegenzustoßen. Die Lichtverhältnisse hier oben verdienten diese Bezeichnung kaum. Nur durch schmutzige Erkerfenster und Lücken im Dach sickerte silbriges Leuchten herein.
    Die Schritte vor Zamorra verklangen. Er blieb stehen und lauschte zwei, drei Sekunden lang. Dann hörte er sie wieder. Aber anders diesmal, vorsichtiger und - auf dem Dach!
    »Verdammt, das hat mir noch gefehlt«, beschwerte er sich, suchte aber schon nach einer Möglichkeit, selbst aufs Dach hinauszuklettern.
    Er entschied sich für ein Fenster, in dessen Rahmen nur noch ein paar einzelne Scherben steckten. Zamorra stemmte sich hoch und wand sich durch die Öffnung hinaus ins Freie.
    Ringsum erstreckte sich eine Landschaft aus unterschiedlich steilen Dachschrägen, Türmen und Erkern, die aus dieser Perspektive noch viel verwinkelter wirkte, als sie es ihm von unten vorgekommen war. Dieses unübersichtliche Durcheinander musste Dutzende, wenn nicht Hunderte von Versteck- und Fluchtmöglichkeiten bieten. Dazu kam noch, dass Moose und Flechten, die vom Nebel schlüpfrig geworden waren, jeden Schritt zum Risiko machten.
    Zamorra horchte in Nacht und Nebel hinaus und bewegte das Amulett in seiner Hand wie einen Kompass. Er registrierte feinste Unterschiede im Erwärmungsgrad der silbernen Scheibe und setzte sich schließlich in die Richtung in Bewegung, aus der die magische Strahlung am stärksten strahlte.
    Sich immer wieder mit den Händen beiderseits an den Dachschrägen und Türmchenmauern abstützend, bewegte er sich durch spitze Schluchten. Nur hier und da gab es Laufflächen, die allerdings nicht breiter als eine Handspanne waren und daher auch kein wesentlich schnelleres und einfacheres Vorankommen ermöglichten.
    Zamorra war sich nicht ganz sicher, glaubte aber, sich zum Rand der Dachlandschaft hinzubewegen. Die Sichtweite betrug wegen der verschachtelten Bauweise immer nur wenige Meter, und der Nebel schränkte sie zusätzlich ein. Dachschrägen und Giebel tauchten auf und verschwanden wieder, als bewegten sie sich und nicht der Nebel.
    Wieder hörte er Schritte, korrigierte seine Laufrichtung entsprechend - und stand auf einer steilen Schräge, an deren unterem Ende nichts zu erkennen war als eine graue Suppe. Darunter, mindestens drei Stockwerke tiefer, wie Zamorra vermutete, lag unsichtbar der Erdboden.
    Und die Schritte drangen vom jenseitigen Ende dieser Schräge zu ihm herüber.
    »Merde!«, fluchte Zamorra.
    Wollte er die Verfolgung nicht aufgeben, blieb ihm nur der gefährliche Weg über die seifige Dachschräge.
    Und Aufgeben kam nicht in Frage!
    Vorsichtig, mit Füßen, Knien und Händen Halt suchend, wagte sich Zamorra auf die Schräge hinaus.
    Er kam knapp drei Meter weit, bevor die Geräusche am gegenüberliegenden Ende verstummten.
    Im selben Augenblick erkaltete übergangslos auch Merlins Stern in seiner Hand. Die magische Strahlung, die das Amulett empfangen hatte, war erloschen.
    Zamorra kam nicht dazu, sich darüber zu wundern oder gar Gedanken zu machen, denn im gleichen Moment hatte er das Gefühl, als würde ihm der Boden unter den Füßen weggezogen. Oder als neige sich die Dachschräge um noch ein paar Grade - gerade so viel, wie es bedurfte, um ihn abrutschen zu lassen.
    Instinktiv um sich greifend und somit seine Abwärtsbewegung nur noch beschleunigend schlitterte er über die glatten Schiefer.
    Das Amulett glitt ihm aus der Hand, rollte hochkant übers Dach hinab, sprang förmlich über die Kante hinaus und verschwand im Nebel.
    Und Zamorra sah sich selbst schon denselben Weg nehmen.
    ***
    Julian Peters’ Traum zerbrach. Im wahrsten Sinne des Wortes.
    Alles, was er ersonnen, erträumt hatte, was eben noch so lebendig gewirkt hatte, erstarrte mit einem Mal.
    Die gewaltige Flammenwand, die sich vor seinem Thron aus kaltem Feuer beiderseits so weit erstreckte, wie der Blick nur reichte… Das Geschehen hinter den Fenstern in den schwarzen Wänden des unheiligen Domes, die Einblick in Tausende Dimensionen gewährten…
    Nichts rührte sich mehr. Alles schien plötzlich wie aus bunt bemaltem Glas, das unter dem Beben, das Asmodis heraufbeschworen hatte, zitterte und knirschte.
    Im nächsten Augenblick zerbrach diese gläsern gewordene kleine Welt. Wie unter den Hieben eines unsichtbaren, gigantischen Hammers zersplitterte sie in Abermillionen Teile, löste sich auf. Die Scherben wirbelten davon in lichtloses Nichts, erfasst von

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