0761 - Der Angst-Atmer
eines Robinson Crusoes bestand in dem, was der Mann in der Hand hielt: eine sonderbare Schusswaffe, die in der Hand gerade dieser abgerissenen Gestalt noch futuristischer wirkte, als sie es ohnedies schon war…
Und die er nun auf Mathieu Lafitte und Claire Pinon richtete…
***
Zamorra sah dem Pärchen nach, das davonrannte, als sitze ihm der Teufel persönlich im Nacken.
»Verschwindet oder der nächste Schuss trifft!«, hatte er den jungen Leuten angedroht und den Blaster, eine Strahlwaffe aus der Produktion der DYNASTIE DER EWIGEN, auf sie gerichtet.
Und vielleicht hätte er wirklich geschossen.
Er wusste es nicht. Wie er so vieles nicht und nicht mehr wusste. Weil er sich selbst kaum noch kannte nach all den Jahren, die vergangen waren. Seit…
Seitdem eben.
Er wollte nicht daran denken, wollte sich weigern. Und wusste doch, dass es ihm nicht gelingen würde. Weil er an nichts anderes mehr denken konnte. In all der langen, langen Zeit hatte kaum noch ein anderer Gedanke Platz in seinem Kopf gefunden. Wieder und wieder durchlebte er die furchtbaren Schrecken, die Katastrophe von… damals.
Wie lange lag das nun zurück?
Auch das wusste er nicht.
Zeit war so hinfällig für jemanden, der zur Unsterblichkeit verdammt war - dazu verflucht, all seine Freunde und alles zu überleben, was ihm etwas bedeutete.
Er hatte das Mädchen und den jungen Burschen, der ihn ein bisschen an seinen alten - und ebenfalls längst toten - Freund Pascal Lafitte erinnerte, seit ihrer Ankunft am Vormittag drunten im Dorf beobachtet.
Als sie dann heraufkamen und zu den Gräbern gingen, als Zamorra sah, wie ihre Gegenwart die Ruhe der Toten zu stören drohte, hatte er nicht anders gekonnt, als sie zu verjagen.
Nun war er wieder allein und stand vor den Gräbern seiner Freunde, die zugleich auch die Gräber seiner Vergangenheit waren, des Lebens, das er einst gelebt hatte. Und das nichts mehr mit dem gemein hatte, das er heute zu führen verdammt war.
Sein Blick strich über die Grabsteine, verharrte auf jedem, lange genug, um sich flüchtig zu entsinnen, wie die dort Begrabenen ums Leben gekommen waren.
Ted… Gryf… Teri… Und…
Sein Blick wollte nicht weiterwandern zu dem einen Grab, dessen Ansicht ihm noch immer den größten Schmerz bereitete.
Nicole!
Der Anblick ihres Grabes bescherte ihm ein Gefühl, als werde ihm das Herz aus der Brust gerissen und noch schlagend in kalter Erde versenkt.
Einmal Teufel, immer Teufel, hatte Nicole stets zu sagen gepflegt, wenn es um Asmodis alias Sid Amos ging - und Recht damit behalten.
Seine, Zamorras Vertrauensseligkeit hatte Nicole letztlich das Leben gekostet.
Zwar hatte er Asmodis dafür zur Rechenschaft gezogen. Aber Genugtuung oder gar Trost hatte er daraus nicht zu schöpfen vermocht. Es tat immer noch so weh wie an jenem Tag, da Nicole gestorben war. Und die Schuld daran lastete heute noch schwer auf ihm - und die Bürde schien jetzt noch, Jahrzehnte danach, mit jedem Tag zuzunehmen.
All seine innersten und tiefsten Ängste, von denen er bis zu jener Zeit kaum etwas geahnt hatte, hatten sich erfüllt.
Vermeintliche Verbündete hatten sich als Verräter erwiesen.
Kameraden waren im Kampf für das Gute und letzten Endes doch sinnlos gestorben.
Und Unschuldige waren nur Zamorras Nähe wegen zu Opfern geworden in einem Krieg, der von der Welt weitgehend unbemerkt stattfand.
Das Dorf unten im Tal, alle Menschen, die dort gelebt hatten und seine Freunde und Bekannten gewesen waren - ausgelöscht, fort für immer.
In den Jahren seither hatte Zamorra gelernt, dass Einsamkeit etwas anderes war als gelegentliches Alleinsein. Und dass er wahre Angst früher nie wirklich gekannt hatte, ganz gleich, wie groß die Todesgefahr auch gewesen sein mochte, in der er geschwebt hatte.
All das wusste er erst jetzt und in einer Weise, wie sonst kein Mensch auf Erden.
Und noch immer kannte diese Angst keine Grenzen, sondern wuchs beständig. Tag für Tag. Angst eben vor dieser noch wachsenden Angst und der damit einhergehenden Verzweiflung. Sie quälte ihn wie schlimmste Folter, als brenne er seit Ewigkeiten im höllischen Fegefeuer und heule mit im Chor der Verdammten.
Es gab kein Entkommen vor dieser Furcht und der Hoffnungslosigkeit, die Abgründe in ihm aufrissen, in die er täglich aufs Neue stürzte und in denen er sich verlor.
Er war gefangen in sich selbst, in einem wahren Teufelskreis.
Alles war da, das Wissen um sämtliche Ereignisse, die zu dem geführt hatten, was und
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