0762 - Vollstreckerin der Ewigen
die rechte Hand, die dazu benötigt wurde.
Noch einmal sah sie sich konzentriert auf dem Gelände um. Es war alles ruhig. Gut, mit nichts anderem hatte sie gerechnet, denn die vier Security-Männer, die den innersten Ring vor dem eigentlichen Eingang sichern sollten, konnten Alwa nicht mehr stören. Sicherlich hatten sie zur Elite in ihrer Branche gezählt, doch was hätten sie gegen eine Schülerin des Ultiven Weges ausrichten können? Man konnte den Männern keinen Vorwurf machen. Und selbst wenn… Den Toten war das bestimmt egal.
Mit einem einzigen Griff öffnete sie die Abdeckung der Kammer, die in ihrem rechten Oberschenkel eingelassen war. Kurz blitzte die Erinnerung auf. Eine schmerzvolle Erinnerung, die mit der Prozedur zusammenhing, der sie diese Geheimkammer verdankte.
Alwa konzentrierte sich auf ihr Vorhaben, denn jetzt war nicht die Zeit für solche Gedanken. Der Gegenstand, den sie nun in der Hand hielt, erinnerte an einen ziemlich kurzen Kugelschreiber, an dessen Ende ein Druckmechanismus für die Mine angebracht war. Diesen Zweck erfüllte der kleine Knopf auch, doch es erschien keine Schreibmine, sondern eine hauchdünne Klinge, wenn man ihn drückte. Alwa Taraneh wusste nicht genau, aus welchem Metall die Klinge bestand, doch sie verlor nie ihre ungeheure Schärfe. Das alleine zählte für Alwa.
Es gab Dinge, die auch sie nicht gerne tat.
Töten - ja, denn das war für ihre Ziele oft unumgänglich. Verstümmelung oder Folter - nur wenn es absolut keine andere Möglichkeit gab. Die Frau war tot, doch für Alwas Zwecke reichte das noch nicht ganz aus.
Mit Bedacht und chirurgischer Präzision setzte sie die zerbrechlich wirkende Klinge am rechten Handgelenk der Toten an.
Es musste sein.
***
Artimus van Zant hatte kaum vier Stunden Schlaf bekommen, da wurde er auch schon wieder von der Weckanlage seines Zimmers mit Nachdruck auf anstehende Termine hingewiesen. Der gestrige Vorfall, der beinahe zu einer Katastrophe geführt hätte, bestätigte ihn nur noch in seinen Vorahnungen.
Vorahnungen böser Natur - so etwas lag im Grunde nicht in van Zants Natur. Man sagte den Bewohnern der amerikanischen Südstaaten Lebensfreude, unbändigen Freiheitsdrang und einen unüberbietbaren Dickschädel nach. Artimus wollte da keinesfalls widersprechen.
Umso unverständlicher erschien ihm seine Besorgnis, denn er war der zupackende Typ, der immer und überall alles versuchte und niemals aufgab. Letzteres hatte er natürlich auch jetzt nicht vor, doch diese düstere Grundstimmung, in der er sich seit einigen Tagen befand, hemmte ihn in seinen Aktivitäten.
Da kommt etwas auf uns zu. Verdammt, ich bin mir ziemlich sicher. Aber was? Was… ?
Ehe er sich in Selbstgesprächen verfing, stellte sich Artimus van Zant lieber für eine Viertelstunde unter die Dusche. Heiß, sehr heiß - abschließend ein eiskalter Guss, der ihm jeden dunklen Gedanken aus dem Kopf fror. Manch altes Rezept verlor eben nie seine Wirksamkeit.
Sein Frühstück bestand aus einer Tasse Kaffee, die für ihn nicht mehr als ein Klischee, eine Angewohnheit war. Van Zant ließ sich auf dem Wandscreen seine Termine für den heutigen Tag anzeigen. Die festen Termine, denn was sonst noch so alles hinzukommen würde, das konnte man beim Projekt Spinnennetz nie sagen.
Heftiges Klopfen störte Dr. van Zant in seiner Konzentration. Klopfen war jedoch mehr als untertrieben, denn der ungebetene Besucher hämmerte regelrecht gegen die Tür. Unwillig betätigte van Zant den Knopf auf der Tastatur seines Arbeitstisches, der das Türschloss aufspringen ließ.
Es war Obervossbeck, der Assistent von Julie Skinner, der da beinahe in den Raum fiel. Van Zant war äußerst gespannt, was denn nun so wichtig sein konnte, um das Einschlagen einer unschuldigen Tür zu rechtfertigen.
»Verzeihen Sie, Doktor van Zant, aber man hat mich gestern nicht zu Ihnen gelassen. Ich musste Sie aber dringend sprechen.«
Van Zant hatte den Deutschen als rechte Hand von Julie Skinner eingestellt. Der Mann hatte auf ihn einen absolut integeren Eindruck gemacht, abgesehen von seinen erstklassigen Fähigkeiten. Zudem hoffte er, der ausgeglichen und in sich gefestigt wirkende Mann könnte unter Umständen den Arbeitswahn von Julie ein wenig abfangen oder ihn zumindest geringfügig bremsen.
So aufgeregt, wie Obervossbeck aber nun vor ihm stand, schien zumindest diese Mission gescheitert zu sein. »Ich mache mir große Sorgen um Julie - ich meine Doktor Skinner.«
Erstaunt stellte
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