0765 - Todesangst und Leichenmoder
leicht funkelte, als sie hin und herbewegt wurde. Ihm fiel auf, daß die Messerhand durch einen Handschuh geschützt war. Der Mörder würde keinen Fingerabdruck hinterlassen.
Noch etwas erschien über ihm.
Das Gesicht…
»Warum tust du das?« keuchte Winston. »Warum, verdammt?« Schweiß strömte in seine Augen, brannte dort und hinderte ihn daran, klar und deutlich zu sehen.
»Du bist ein Schwein…«
»Und die Mädchen?« keuchte er.
»Waren Nutten, miese Nutten. Haben es getrieben. Waren schlecht, alle waren sie schlecht.«
»Aber du bist…«
»Ich bin rein…«
»Du bist irre…«
Wieder das Kichern. So böse, so wissend und gleichzeitig so mordlüstern. Dabei senkte sich auch die blanke Messerklinge, und der Mann riß seine Arme zum Schutz hoch.
Eine geringe Bewegung nur reichte aus, und die Klinge schnitt in das Fleisch oberhalb der Gelenke.
Der Schmerz war schrill, Todd konnte nicht einmal schreien.
Dafür sah er, wie seine Arme schwerfällig nach unten sanken und sein Gesicht jetzt freilag.
Für die Klinge.
Sie sank auf ihn nieder. Schnell, viel zu schnell. Für den Bruchteil einer Sekunde spürte er noch die kalte Berührung an seiner dünnen Halshaut, dann wurde sie von links nach rechts gezogen und tötete den Mann auf der Stelle.
»Du bist ein Schwein«, flüsterte eine Stimme, »ein widerliches Tier…«
***
Und wieder saß ich auf einer Bank, und ich verfolgte die Szene.
Es war einfach irre. Ich hatte schon mehr als einmal darüber den Kopf geschüttelt. Von vier Seiten brannten die Lichter der Scheinwerfer auf den Ort nieder, wo die Aufnahmen geschossen werden sollten. Im Mittelpunkt stand ein hoher Grabstein, der allerdings an den Seiten Mulden bildete, wo sich noch jemand hineinsetzen konnte. Das war Aufgabe der Models. Wenn mich nicht alles täuschte, hatte ich drei gezählt, dabei war auch Allie Carter, ein Mädchen mit herrlichen schwarzen Haaren, die einen Mantel über ihren nur dürftig bedeckten Körper gestreift hatte, sich oft an Kellermans Seite aufhielt und dann und wann auch von ihm gestreichelt wurde. Er wußte ja, daß ich alles beobachtete und wollte mir durch diese Gesten klarmachen, wer nun zu ihm gehörte. Er hatte einen guten Geschmack bewiesen, das mußte man ihm lassen.
Wie auch die anderen Mädchen, so machte Allie ebenfalls einen schüchternen oder auch ängstlichen Eindruck auf mich. Jede von ihnen sorgte dafür, daß sie sich immer im Schein der Lampen aufhielt und nicht in den Schatten eintauchte. Die Gedanken drehten sich bestimmt um den schrecklichen Tod ihrer Kolleginnen.
Es waren noch andere Helfer da, über deren Funktion ich mir nicht genau im klaren war. Nur eine Frau fiel auf. Nicht nur, weil sie Allie Vorwürfe gemacht hatte, was die Pünktlichkeit anging, sie war auch sonst die Queen dort.
»Eine Beschreibung gefällig?« Klar doch. Evelyn Ascot war eine Grace Jones in Superblond. Dazu trug sie einen beigefarbenen Hosenanzug, war also top gekleidet, denn die Hosenanzüge kamen wieder in Mode. Die Jacke war sehr eng geschnitten, die Hose dagegen war weit und tief war auch der Jackenausschnitt. Gerade richtig für eine Kette mit dicken, roten Kugeln. Durch die Schlaufen der Hose zog sich ein Gürtel in derselben Farbe, auf dem zusätzlich noch Applikationen aus poliertem Silber schimmerten. Das weiße Haar hatte sie sehr kurz geschnitten, es stand als Bürste von ihrem Kopf ab. Wer ihr in das Gesicht schaute, der hätte sich darunter ebensogut das eines Mannes vorstellen können, denn es war hart geschnitten. Die Wangenknochen traten scharf hervor, die Wangen selbst waren nach innen gezogen und bildeten Mulden. Die Nase war ziemlich knochig, sie »zierte« ein Höcker.
Die Ascot stand da und schaute. Sie hatte Argusaugen, nichts entging ihr. Sie achtete selbst auf die geringste Kleinigkeit und erklärte mit lauter Stimme, daß nach der nächsten Aufnahme eine Kaffeepause eingelegt werden sollte.
Ich schaute mir die Schau noch mal an.
Die drei Models versammelten sich um den Grabstein. Zwei saßen in den Mulden, eine stand zwischen und hinter ihnen. Sie bildete den Mittelpunkt.
Das war die dunkelhaarige Allie Carter, die sich auf dem Grabstein abgestützt hatte. Sie selbst trug keine Dessous mehr, weil nur ihr Kopf auf dem Foto zu sehen sein würde.
Es wurde fotografiert, es wurde gelobt und geflucht, und schließlich stand die Szene.
»Kaffee!« rief die Ascot.
Jeder war froh darüber, auch ich entspannte mich, obwohl ich nur als nicht
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