0767 - Das Grauen von Milford Sound
Landschaft. Zu seiner Rechten erhob sich in Dutzenden von Kilometern Entfernung die schneebedeckte Spitze des Mount Cook, zur Linken lag die grüne Ebene, immer wieder unterbrochen von kleinen Erhebungen und aufwallenden Nebelfeldern, die sich träge über Straßen und Felder wälzten.
Der Himmel war verhangen. Nicht umsonst nannte man Neuseeland das Land der weißen Wolke. Mit dem Unterschied, dass die Wolken, die sich im Südwesten zusammenballten, einen sehr viel düstereren Eindruck machten.
Eine halbe Stunde später war es soweit und die ersten Regentropfen klatschten auf die Frontscheibe des Toyota, den sich Zamorra auf dem Flughafen in Christchurch geliehen hatte.
Er hatte nach der Rückkehr auf das Château zunächst einen Abstecher nach Rom gemacht. Der Weg zur Villa Eternale brauchte dabei nicht mehr Zeit als der Gang über die Treppenstufen in den Châteaukeller zu den Regenbogenblumen - und ein paar Stufen aus dem Keller in Rom wieder hinauf, in dem Ted und Zamorra vor langer Zeit eine weitere Kolonie gepflanzt hatten.
Zamorra konnte nicht verhindern, dass ihn bei der Reise über die Regenbogenblumen ein sonderbares Gefühl beschlich. Etwas war im Gange, das fühlte er genau, auch wenn er nicht das Gespür Ted Ewigks besaß, das diesem in seinem Beruf als Reporter so oft geholfen und ihn zu einem der erfolgreichsten Männer seiner Branche gemacht hatte.
Das plötzliche Wachstum der neuen Blumenkolonie war seltsam genug - die Auswirkungen auf die Transporteigenschaften der Blumen dagegen umso bedenklicher. Niemand konnte wissen, ob es einen Zusammenhang gab und ob auch andere Kolonien eine Veränderung durchmachten. Vielleicht wäre es klüger, die Reisen über die Regenbogenblumen einzuschränken oder sogar ganz zu vermeiden, solange die Verbindung zwischen den Kolonien und den Unsichtbaren nicht geklärt war.
Seltsamerweise entsann sich Zamorra ausgerechnet jetzt einer Bemerkung Pater Ralphs, die dieser vor einigen Jahren in seiner Gegenwart gemacht hatte. Der Dorfpfarrer hatte vor der Magie der Regenbogenblumen gewarnt. Für die Bequemlichkeit, die diese Transportmöglichkeit bot, werde ihnen irgendwann die Rechnung präsentiert. Im diesseitigen Leben bekomme man nichts geschenkt.
Zamorra lief es kalt den Rücken hinunter bei dem Gedanken, dass Pater Ralphs Worte sich nach so langer Zeit bewahrheiten mochten. Auf Zamorras Nachfrage hatte der Pater damals keine genaue Erklärung geben wollen. Vielleicht hatte er mit seinen Worten nur einem unbestimmten Gefühl Ausdruck verliehen - oder einer düsteren Vorahnung…
Der Besuch bei Ted jedenfalls hatte keine neuen Aufschlüsse gebracht. Weder über die Regenbogenblumen - die Kolonie in der Villa Eternale hatte sich genauso wenig verändert wie die im Château oder in Florida -, noch über Carlottas Verschwinden.
Noch immer gab es keine Nachricht von ihr. Ted hatte sich mittlerweile darauf versteift, dass die DYNASTIE DER EWIGEN sie entführt hatte. Gründe, die dagegen sprachen, ignorierte er.
Trotzdem schien er nicht die Kraft zu finden, die Suche nach Carlotta zu intensivieren. Als Zamorra in der Villa eintraf, hockte Ted auf dem Sofa und stierte auf den Fernsehbildschirm.
Zamorra versuchte ihn ein wenig aufzumuntern, aber Ted reagierte überhaupt nicht.
Vor kurzem, als es gegen Sarkana und Morano ging, hatte er wenigstens noch etwas Motivation gezeigt.
Nach einer Viertelstunde gab Zamorra auf. Er kehrte in den Keller zurück, nahm einige Blaster und Reserveenergiemagazine aus dem Arsenal an sich, um den Vorrat im Château wieder aufzufüllen, und machte sich auf den Weg zurück nach Frankreich.
Nachdem er die Abschirmung um die Blumen im Châteaukeller erweitert hatte, packte er seinen Einsatzkoffer, nahm den Dhyarra-Kristall und einen Blaster an sich und begab sich nach Sydney in die Olympiastadt, wohin er die Blumen nach dem Abenteuer um den gestohlenen Dynastie-Kreuzer im Outback verpflanzt hatte.
Nicole blieb zu Hause. Schließlich konnte man nie wissen, ob sich bei Ted nicht doch noch etwas tun würde.
***
Fünf Stunden nach der Ankunft in Sydney landete Zamorra mit einer Maschine der New Zealand Air in Christchurch, mit über 300.000 Einwohnern die größte Stadt auf der neuseeländischen Südinsel. Die Autovermietung lag einen Kilometer vom Flughafen entfernt.
Zamorra entschied sich mangels Alternativen für den Toyota. Er hätte gern ein europäisches Fahrzeug gehabt, aber die standen auf Neuseeland nicht besonders hoch im Kurs,
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