0767 - Das Grauen von Milford Sound
vermeintlichen Gast, der soeben dem Ausgang zustrebte, überhaupt nicht wahrzunehmen.
Der Toyota stand noch immer auf dem Parkplatz, auf dem Zamorra ihn gestern Abend abgestellt hatte. Er startete den Motor und schlug den Weg zur südlichen Stadtgrenze ein.
Zehn Minuten später raste er über die Landstraße 6 dahin, im Westen das herrliche Panorama des Lake Wakatipu mit den schneebedeckten Bergketten dahinter.
Eine Stunde bis Te Anau, zwei weitere bis Milford Sound.
Stunden, von denen jede Minute zählte.
***
Die Ereignisse der letzten Nacht standen Zamorra jetzt klar vor Augen. Er war seinem Gegner auf den Leim gegangen.
Er schalt sich einen Narren, dass sein Misstrauen nicht früher erwacht war. Man hatte ihn daran hindern wollen, mit den beiden Deutschen zu sprechen. Jetzt waren sie tot - weil er das Ablenkungsmanöver zu spät durchschaut hatte. Aber was hätten sie ihm verraten können, was er nach Meinung seiner Gegner nicht wissen durfte?
Oder hatten sie es ihm bereits verraten?
Er ließ die Unterhaltung von gestern Abend Revue passieren, aber die erhoffte Erkenntnis blieb aus.
Er fragte sich, wie es den Unsichtbaren gelungen war, die Polizei für ihre Zwecke einzuspannen. Mochten sie auch telepathisch begabt sein, so war es ihnen nach seinem Kenntnisstand nicht möglich, Menschen auf diesem Wege zu beeinflussen.
Doch es hatte keinen Sinn, sich im Augenblick weiter den Kopf darüber zu zerbrechen.
Gut zweieinhalb Stunden, nachdem er Queenstovm verlassen hatte, erreichte er den Homer-Tunnel. Die umgebenden Gipfel waren in märchenhaftes Weiß getaucht, die Straßenränder von aufgetürmten Schneewällen bedeckt. Doch Zamorra besaß nicht die Ruhe, das friedliche Bild in sich aufzunehmen.
Er hatte sich in Te Anau Schneeketten besorgt, aber die Vorsichtsmaßnahme war überflüssig gewesen.
Im Sound stellte er den Toyota vor der Anlegestelle ab. Die Scheiben waren leicht beschlagen, weü die Heizung nicht funktionierte.
Das hölzerne Spitzdach des Cafés war von einer dünnen Schneeschicht bedeckt. Die Temperaturen lagen knapp unter null Grad, der Atem kondensierte Zamorra vor dem Gesicht.
Die Wirtin empfing ihn mit einem höflichen, aber nichts sagenden Lächeln. Im Café herrschte Leere. Es war Nachmittag, die meisten Touristen traten bereits den Heimweg an. In einer Stunde würde die Dämmerung einsetzen.
Zamorra rieb dié Handflächen gegeneinander. »Einen Kaffee - extraheiß bitte. Wissen Sie zufällig, wo es hier Karten für das Schiff und den Unterwasserzoo gibt?«
Die Wirtin deutete auf einen kleinen Tresen neben dem Eingang. »Aber Sie müssen sich beeilen. Das letzte Boot legt in einer halben Stunde ab.«
Zamorra hatte nicht gehört, dass ein zweiter Gast eingetreten war. Der schmale, in einen dicken Pelzmantel gehüllte Mann schien sich für ihre Unterhaltung zu interessieren.
»Sie sind hier, um etwas Besonderes zu sehen?« Der Mann entblößte gelbe Zähne zu einem Lächeln. »Dann sind Sie bei mir genau richtig. Mein Name ist James Nash.«
***
Fooly hatte lange genug gewartet. Zu lange, wie er fand. Er hatte zugesehen, wie Zamorra das Château in Richtung Neuseeland verlassen hatte, ohne mit ihm - immerhin dem Entdecker der neuen Blumenkolonie - noch einmal zu sprechen. Wenn er und Nicole meinten, auf den Rat eines Drachen verzichten zu können - bitte!
Fooly hatte gehofft, dass Nicole Zamorra begleiten würde. Dann wären nur noch William sowie Lady Patricia und ihr Sohn Rhett im Château verblieben. Aber keiner dieser drei hätte den Plan des Jungdrachen vereiteln können.
Nicole war da schon anders einzuschätzen. Sie hatte sehr wohl bemerkt, dass Fooly sich zurückgezogen hatte. Hoffentlich wurde sie nicht bereits misstrauisch.
Einige Stunden nach Zamorras Abreise schien aber auch ihre Wachsamkeit zu erlahmen. Sie führte ein Telefonat mit Robert Tendyke und den Peters-Zwillingen und vertrieb sich die Zeit im Fitness-Raum.
Die Gelegenheit war günstig.
Auf leisen Sohlen schlich der sonst so tapsige Jungdrache durch das Château und näherte sich dem Zugang zum Keller. Ein Beobachter hätte sich erstaunt gezeigt, mit welcher Geschicklichkeit Fooly seinen massigen Leib durch die engen Gänge des Labyrinths steuerte.
Endlich erreichte er den weit entfernten Raum, in dem die Blumenkolonie im Schein der Miniatur-Sonne wuchs. Auf der Schwelle blieb er stehen und musterte die Blumen. Irgendetwas kam ihm seltsam vor. Als hätte sich die Blumenkolonie vergrößert. Aber das
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