0767 - Das Grauen von Milford Sound
zwei Stunden im Fitnessraum hatten ihr gut getan, sie ein wenig abgelenkt von den Problemen, die wieder einmal über Zamorra und ihr zusammenzuschlagen drohten.
Seit ihr Chef fort war, hatte sich eine lähmende Stille über dem Château ausgebreitet - eine Art Ruhe vor dem Sturm, wie Nicole glaubte.
Zamorra hatte sich gestern noch aus Christchurch gemeldet. Seitdem gab es kein Lebenszeichen von ihm. Das beunruhigte sie nicht wirklich. Der Meister des Übersinnlichen wusste schon auf sich aufzupassen. Außerdem hatte er seinen Einsatzkoffer, den Blaster und das Amulett bei sich. Ob er es nun mit Unsichtbaren, Dämonen oder gar Ewigen zu tun bekam, er würde gewappnet sein.
Nicole war trotzdem nicht wohl in ihrer Haut. Die Sekunden tropften dahin, ohne dass sich etwas ereignete. Sie fühlte sich überflüssig.
Gegen Mittag führte sie ein Telefonat mit Pascal Lafitte, aber er hatte keine neuen Informationen für sie. So groß die Story um die zu Tode gestürzte Touristin von den Boulevardzeitungen in Neuseeland aufgebauscht worden war, so schnell hatte sich die Aufregung auch wieder gelegt. Kein weiterer Hinweis auf dämonische Aktivitäten, keine Nachricht, dass die Polizei sich weiter mit dem Vorfall befasste.
Nicole überlegte, ob sie noch einmal versuchen sollte, die fremde Kolonie über die Châteaublumen zu erreichen, entschied sich aber dagegen.
Sie begab sich ins Arbeitszimmer und stellte selbst einige Nachforschungen über die Vorfälle in Neuseeland an. Doch Pascal hatte Recht gehabt. Es gab keine Neuigkeiten, so weit das Internet reichte. Auch keine Blumenbeete, die irgendwo am Rand der Welt scheinbar aus dem Nichts aufgetaucht waren.
Nicole lehnte sich auf dem Stuhl zurück und schloss die Augen. Sie war müde und genoss die Stille.
Da fiel ihr endlich auf, dass es eigentlich zu still war.
Von einem Moment zum anderen war sie wieder wach.
Es gab jemand, den sie eigentlich hören und dem sie hätte über den Weg laufen müssen. Jemand, der immer da war, wo man ihn eigentlich nicht brauchte, und der auf allzu liebenswürdige Art immer wieder Zerstörung, Ärger, Chaos und Lärm in das Château trug.
Sie fragte Lady Patricia und William, aber niemand hatte in den letzten Stunden auch nur eine Schuppe von Fooly zu Gesicht bekommen.
Sie erinnerte sich des versteinerten Gesichtsausdrucks, mit dem gestern der Jungdrache den Frühstückstisch verlassen hatte. Er war aufgebracht gewesen, weil Zamorra ihn im Kampf gegen die Unsichtbaren nicht dabeihaben wollte. Ob er heimlich seine eigenen Pläne geschmiedet hatte und zu einer Art Privatfeldzug aufgebrochen war?
Aber wie? Und wohin?
Nicole brauchte nicht lange zu überlegen. Sie lief in den Keller und durchquerte den Korridor, der zu dem Raum mit der Blumenkolonie führte.
Da vernahm sie einen Schrei!
Noch bevor sie den Eingang erreichte, roch sie das Feuer.
***
Einige Minuten zuvor
Fooly hatte glaubte, seinen Augen nicht zu trauen.
Die Blumen bewegten sich!
Jetzt erst erkannte er, dass der erste Eindruck ihn nicht getäuscht hatte. Die Blumen waren zahlreicher geworden! Zwischen sie hatten sich weitere, neue Regenbogenblumen gemischt, die Abnormitäten aufwiesen wie die Blumen der neu entdeckten Kolonie. Dicke Wurzeln schlängelten sich über den Boden des Kellerraums, und die falschen - wie kam er nur auf diesen Ausdruck? - Blumen krochen auf Fooly zu.
Ihre Wurzeln schüttelten sich und raschelten, als wollten sie ihm eine Nachricht übermitteln. Sie schlugen Wellen und breiteten sich immer weiter über den Raum aus.
Was hatte das zu bedeuten? Waren die Blumen endgültig zum Lehen erwacht? Wobei dieser Begriff ja ohnehin zweideutig war. Natürlich lebten sie, wie Pflanzen eben lebten - aber das bedeutete wohl kaum, das sie in der Lage waren, sich zu bewegen und einen eigenen Willen zu entwickeln.
Dabei wäre Fooly sogar bereit gewesen, ihnen diesen Willen zuzubilligen. Schließlich war er ein Drache und nicht so fantasielos wie die Menschen.
Vergeblich versuchte er ein Muster in den Bewegungen zu erkennen. Ziellos schienen die Stränge den Weg vom Zentrum der Kolonie weg in alle Richtungen zu suchen. Die neuen Blumen krochen zwischen den alten hervor, sonderten sich ab wie unterschiedliche Stoffe bei einer Phasentrennung.
Der Jungdrache musste an die Abschirmung denken, die Zamorra installiert hatten. Waren diese neuen Blumen von außen gekommen? Hatten Zamorra, Nicole und er sie vielleicht sogar selbst eingeschleppt? Die Abschirmung
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