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0767 - Zeit der Wachsleichen

0767 - Zeit der Wachsleichen

Titel: 0767 - Zeit der Wachsleichen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jason Dark
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trug Eartha bei sich. Wie eine Katze bewegte sie sich auf den Parkplatz zu und schlug dabei einen Bogen. Auf keinen Fall sollte ihre Flucht bemerkt werden. Es saßen immer wieder Gäste auf den Balkonen, und die hatten oft genug scharfe Augen. Neugier gehörte nun zu den primären menschlichen Eigenschaften.
    Erst auf dem Parkplatz sprach sie wieder mit ihrem Sohn. Auch hier hielten sie sich im Schatten.
    Zudem hatten sie Glück, daß niemand ankam oder noch wegfahren wollte. »Wie fühlst du dich, Mario?«
    »Gut!«
    Sie schaute ihn von der Seite an. »Tatsächlich?«
    »Ja, Mum, ich freue mich.«
    Eartha lächelte. Es war super, daß er sich freute, auch für sie, die voll und ganz auf der Seite ihres Sohnes stand. Sie dachte daran, daß alte Kräfte nicht verschüttet waren und neue sich ihren Weg bahnen würden. Durch nichts konnten sie aufgehalten werden. Die Magie war noch immer stärker als die Kraft der Menschen.
    Sie erreichten den Wagen. Das Dach schimmerte matt. Es war feuchter geworden. Dunst umkroch den See an seinen Ufern und breitete sich allmählich aus. Es wurde auch windiger.
    Sie stieg ein, öffnete ihrem Sohn die Tür, der noch einmal einen Blick auf das Hotel warf. Daß sie dort einen Toten zurückgelassen hatten, störte weder ihn noch Eartha. Das Leben war eben hart, und wer sich gegen bestimmte Gesetze stemmte, durfte sich nicht wundern, wenn er es nicht überstand.
    »Steig endlich ein.«
    Der Junge nahm auf dem Beifahrersitz Platz. Seine Mutter drehte den Zündschlüssel herum. Ein knappes Lächeln huschte über ihre vollen Lippen. Die dunkle Haut der beiden schimmerte wie glänzender Kakao. Zwei Augen glänzten in Vorfreude.
    Eartha ließ das Fahrzeug rückwärts aus der Parktasche rollen. Es klappte alles wunderbar. Zwar mußte sie einige Male rangieren, aber das schaffte sie auch.
    Dann war der Weg frei. Sie fuhren in die Stille und Leere. Auf den normalen Parkplätzen, die zur Zugspitzbahn gehörten, standen nur wenige Fahrzeuge. Auch die Straße nach Grainau war leer. Der Wind schüttelte die Bäume. Es roch nach einem Gewitter und nach Regen, was Mutter und Sohn nicht stören würde. Im Gegenteil, der Wettergott würde für eine perfekte Untermalung sorgen.
    Mario saß nachdenklich auf dem Sitz. Er hielt den Kopf gesenkt. Nicht einmal schaute er durch die Fenster. Er war in Gedanken versunken, »träumte« von den Toten, die er so liebte. Eartha kannte alle Einzelheiten seines Geheimnisses. Sie hoffte nur, daß die Toten auch ihn liebten, sonst sah es für ihn nicht gut aus. Dann war er nur mehr Fleisch für die lebenden Leichen.
    Die Kulisse der Berge lag im Dunkeln. Auch die Wälder bildeten fast schwarze Flächen. Am Himmel zeigten die Wolken ein unheimliches und wildes Muster, nur an bestimmten Stellen vom Licht des Mondes angestrahlt und durchsichtiger. Die Sterne waren nicht zu sehen, die Welt schien in einem tiefen Grau versunken zu sein.
    Die Straße führte weiter nach Garmisch. Als sie Grainau erreichten, war der Ort leer. Vor den Lokalen und Wirtshäusern saßen keine Gäste mehr. Grainau hatte sich längst auf die Nacht vorbereitet, und der Wind konnte durch leere Straßen fegen.
    Sie fuhren rechts ab, um nach Obergrainau zu gelangen, wo auch die Kirche stand. Der Minigolfplatz wirkte wie ein totes Feld, wo keiner mehr spielte und auch keine Lampe brannte. Wenn der Wind in die Bäume hineinfuhr, dann rauschten die Blätter, und sie bewegten sich nickend, als wollten sie etwas mitteilen.
    Nicht einmal Jugendliche hielten sich noch auf den Straßen auf. Das Wetter hatte sie vertrieben.
    Keiner wollte sich einem Unwetter und dichten Regenschauern aussetzen. Die Nervosität des Jungen nahm zu, je mehr sie sich dem Ziel näherten. Er rieb mit seinen Handflächen über den Stoff der Hosenbeine. Seiner Mutter gefiel das nicht. »Was hast du? Ist etwas nicht in Ordnung?«
    »Ich weiß nicht.«
    Eartha lächelte beruhigend. »Keine Sorge, mein Lieber, es wird schon gutgehen. Man kann die andere Seite nicht betrügen. Sie wird immer ihren Weg gehen, und sie wird auch ihre Freunde nicht im Stich lassen. Darauf kannst du dich verlassen.«
    »Ich hoffe es.«
    »Es klappt alles, glaub mir.« Sie fuhren die Straße hoch, an deren rechter Seite der Hügel lag, auf dem die Kirche stand. Als der Junge sie sah, schüttelte er den Kopf. Seine Mutter registrierte es, fragte ihn aber erst, nachdem sie den Wagen geparkt hatte.
    »Was stört dich?«
    »Die Kirche.«
    Eartha mußte leise lachen.

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