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0767 - Zeit der Wachsleichen

0767 - Zeit der Wachsleichen

Titel: 0767 - Zeit der Wachsleichen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jason Dark
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Sie strich über Marios Kopf. »Hat sie dich auch schon gestern gestört?«
    »Nicht so stark wie heute.«
    »Ist denn etwas passiert? Hat sich einiges verändert? Ich muß dich fragen, da ich selbst nicht Bescheid weiß.«
    Er hob die Schultern. »Das kann ich nicht sagen. Äußerlich ist alles wie gestern, aber…« Er suchte nach Worten, runzelte die Stirn und nahm eine schon abwehrende Haltung ein. »Nur ein Gefühl, Mum, es ist nur ein Gefühl.«
    »Du wirst bald einen Freund treffen.«
    »Das hoffe ich.«
    »Vielleicht sogar drei.« Er nickte.
    »Dann ist doch alles gut.«
    Mario blies seinen Atem gegen die Scheibe. »Ich weiß es eben nicht.« Er drehte den Kopf, um einen Blick in den Himmel zu werfen, wo die Wolken sich gegenseitig jagten, als wollten sie den Mond fangen.
    »Wir sollten aussteigen.«
    »Ja, Mum.«
    Eartha gefiel die Stimme nicht, weil sie ihr zu gleichgültig klang. Ohne Power und Energie. Wahrscheinlich würde sie noch viel Arbeit haben, um Mario umzustimmen. Dabei hatte er in den letzten Tagen so gut pariert.
    Sie schloß den Wagen ab, als beide ihn verlassen hatten. Mario war in seinem Schutz stehengeblieben. Er trug keine Mütze mehr und schien sich unter den stärker gewordenen Windstößen zu ducken. Seine Augen waren auf die Kirche gerichtet. Der Bau stand wie ein mächtiges Denkmal auf dem Hügel, zu dem ein grauer Weg vom Gehsteig her hochführte. Vom Friedhof sahen sie nicht ein Grab. Das Gelände lag jenseits der Kirche und führte in drei Ebenen bis hinunter zur anderen Straße.
    Die Frau ging um das Fahrzeug herum. Neben Mario blieb sie stehen, legte ihm dem Arm um die Schulter, schaute in sein Gesicht, das so gar keine Fröhlichkeit zeigte. Er nagte auf der Unterlippe.
    Kleine Schweißtropfen hatten Fäden gebildet und rannen über die Wangen. Sein Lächeln wirkte verkrampft. Sogar eine Gänsehaut hatte er bekommen.
    »Wir müssen hin«, sagte sie. »Es ist alles vorbereitet worden. Es gibt kein Zurück.«
    »Ich will ja auch.«
    Für Eartha hatte es nicht eben überzeugend geklungen. »Wenn wir erst einmal auf dem Friedhof sind und du deinen Freunden gegenüberstehst, sieht alles anders aus, das mußt du mir glauben. Dann hat dich die andere Welt akzeptiert.«
    Mario schaute seine Mutter an, lange und intensiv. Dabei verschwand die Bedrückung aus seinem Gesicht und machte einem Lächeln Platz. Er hob beide Arme und umschlang seine Mutter. »Mum, ich… ich liebe dich, Mum.«
    Eartha war froh, das zu hören. »Ich dich auch. Mario.«
    Er ließ sie los. »Können wir jetzt gehen?«
    Die Augen der Frau leuchteten. »Ja, mein Junge, wir werden gehen. Es ist alles klar.«
    Sie machten sich auf den Weg…
    ***
    Unruhe war in den Tiefen der beiden Gräber entstanden. Die Leichen wollten nicht mehr in der feuchten Kühle bleiben. Der Drang an die Oberfläche war unwiderstehlich geworden. Aber sie verfügten nicht über die Kraft der ersten Wachsleiche. Sie hatten keine »Nahrung« bekommen und hatten es demnach schwerer.
    Der Wind fegte auch über die abseits liegenden Gräber. Doch er bewegte die Oberfläche nicht. Daß sie Risse und Lücken aufwies, lag allein an der Kraft, die aus der Tiefe kam und sich immer mehr in die Höhe bohrte. Die Toten wollten raus!
    Sie kämpften sich weiter vor.
    Parallel näherte sich das unerklärliche Grauen. Fäuste stießen intervallweise in die Höhe, als wollten sie erst an die Oberfläche anklopfen, bevor sie den Durchbruch schafften. In den Gräbern hatte sich die Kälte des Todes ausgebreitet. Über ihnen wehte der Wind. Der Himmel präsentierte ein wildes Wolkenspiel, und nur vereinzelt erreichte der Schein des Mondes den Friedhof.
    Ein Grab war leer. Die Leiche hatte es aufgewühlt zurückgelassen. Die beiden anderen waren noch nicht soweit. Sie steckten noch voller Unruhe, ohne allerdings einen Durchbruch zu erreichen.
    Trotz der Widrigkeiten ließen sich die Wachsleichen nicht aufhalten. Sie wollten nicht hinter ihrem Artgenossen zurückstehen und kämpften deshalb weiter.
    Sie kamen auch vor.
    Und sie kamen durch.
    Fast gleichzeitig schafften sie den Durchbruch. In der Erde öffneten sich Spalten.
    Zwei bleiche Hände mit langen Fingern wühlten sich aus den Gräbern.
    Sie hatten es geschafft.
    Fast jedenfalls…
    ***
    »Vergessen?« höhnte ich. »Tut mir leid, aber ich kann einen Mord nicht vergessen, Miß Vincaro. Da bin ich eben etwas altmodisch oder konservativ. Tut mir leid für Sie.« Ich spielte nicht nur, ich war wirklich sauer,

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