Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
0767 - Zeit der Wachsleichen

0767 - Zeit der Wachsleichen

Titel: 0767 - Zeit der Wachsleichen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jason Dark
Vom Netzwerk:
passierte den kleinen Platz vor dem Supermarkt, wo ihn eine Bö noch einmal stark erwischte. In der Nähe standen Jugendliche zusammen, die den Pfarrer beobachteten und ihm nachriefen, daß er mehr Ehrgeiz zeigen solle.
    Prantl hatte die Stimme des Jungen erkannt. Er nahm sich vor, ein paar passende Worte mit dessen Eltern zu reden. Der Respekt vor dem Pfarrer mußte gewahrt bleiben! Die Zeiten waren sowieso schlimm genug, und für einen konservativen und romgläubigen Menschen wie Pfarrer Prantl glichen sie schon einem Vorhof zur Hölle. Die Moral war anderen Götzen bedenkenlos geopfert worden, und er spürte Schauer der Wut über seinen Rücken rinnen, als er wieder daran dachte.
    Als ihm der Wind in den Rücken blies, kam er schneller voran, begann zu laufen und huschte sehr schnell durch die Lichtinseln vor den erleuchteten Fenstern. Er hörte Stimmen und Gelächter aus den Gaststätten und beeilte sich deshalb noch mehr, die schützende Ruhe seiner Kirche zu erreichen.
    Die Wohnung lag hinter der Sakristei.
    Noch lag der Hügel vor ihm und mußte geschafft werden. Wie immer, wenn er vom Gehsteig her an ihm hochschaute, sah er so steil aus, aber die Umrisse der Kirche gaben dem Pfarrer wieder neuen Mut. Und so alt war er mit seinen zweiundfünfzig Jahren nun auch nicht.
    Er mußte den Weg hochgehen, hielt die Arme vor seiner Brust verschränkt und schaute hin und wieder zum Himmel hoch, wo sich gewaltige Szenen abspielten. Der Wind blies die Wolken auseinander oder trieb sie zusammen, je nachdem, aus welcher Richtung er kam. Manchmal leuchtete der Mond klar, seine Umrisse sahen aus wie hingeschnitten, und der Pfarrer fühlte sich unter seinem Licht unwohl. Er mochte den Mond nicht, er mochte auch die Dunkelheit nicht. Sie erinnerte ihn zu sehr an die Verdammnis und die Hölle.
    Im Gaumen spürte er noch den Geschmack des Obstlers. Der Schnaps war ziemlich stark gewesen.
    Er hätte auf den zweiten verzichten sollen. So mußte er noch aufstoßen.
    Prantl atmete auf, als er die Kuppe des kleinen Hügels erreicht hatte. Bei schönem Wetter setzte er sich gern auf die Bank, selbst in lauen Sommernächten nahm er diesen Platz ein, aber die schienen vorerst vorbei zu sein. Deshalb war er froh, als sich die Kirchentür hinter ihm schloß. Nach dem Kreuzzeichen lehnte er sich aufatmend gegen die Wand. Er mußte eine kleine Pause einlegen. Er nahm sein Birett vom Kopf und ging langsam auf den Altar zu. Ein Lächeln hatte sich auf seine Lippen gelegt. Wie immer fühlte er sich in dem Gotteshaus geborgen, dessen Inneres ein einziges Kunstwerk war. In der Kirche hatte die Düsternis Einzug gehalten. Schatten lagen über den Figuren und breiteten sich auch auf dem Boden aus. Das ewige Licht brannte, auch einige Kerzen am Bittaltar.
    Der Pfarrer kniete nieder. Die Zeit für ein kurzes Gebet nahm er sich immer. Er schloß auch die schwerkranke Frau Brandner in seine Fürbitten mit ein, bevor er sich erhob, die Bank verließ und in die Sakristei ging. Hier hielt er sich nicht länger auf. Sein Weg führte ihn in die Privaträume, die schlicht, aber dennoch gemütlich eingerichtet waren. Eben typisch bayerisch.
    Es gab eine Sitzecke, in der ein großes Holzkreuz hing. Darunter nahm der Pfarrer zumeist Platz.
    Die Ecke war sein Lieblingsplatz, hier fühlte er sich unter dem Schutz des Herrgotts wohl und geborgen. Der Weg hatte ihn durstig gemacht. Alkohol hatte er schon genug getrunken, deshalb machte er sich einen Kaffee. Die kleine Küche war in den Raum integriert. Sie blitzte vor Sauberkeit. Daß dies auch so blieb, dafür sorgte schon seit Jahren seine Haushälterin.
    Pfarrer Prantl hatte sich entschlossen, noch etwas zu arbeiten. In den nächsten Tagen standen Gespräche mit der Friedhofsverwaltung an. Es ging um die Erweiterung des Gottesackers und auch darum, ob die drei etwas abseits liegenden Gräber eingeebnet werden sollten. Damit war dann der Anfang einer Erweiterung geschafft. Keiner traute sich so recht daran, man wollte sich erst mit dem Pfarrer besprechen, ob es ethische und moralische Einwände gab.
    Prantl hatte sich noch nicht entschieden. Was er auf dem Tisch ausgebreitet hatte, waren die Pläne für die Erweiterung des Friedhofs. Die lagen schon vor. Er strich das Papier glatt, nippte an der Kaffeetasse und dachte daran, daß der Friedhof in Richtung Südwesten ruhig erweitert werden konnte. Dort gab es genügend freies Gelände, ansonsten war er doch zu sehr von Straßen umfriedet.
    Allerdings mußten die

Weitere Kostenlose Bücher