0769 - Das Rätsel der schwarzen Madonna
Stadt. Grau in grau, manchmal nur durch einen helleren Farbklecks unterbrochen. Es gab Industrie, gab Wohnsilos, hohe Backsteinbauten oder andere Häuser, deren Wohnungen im Schnellverfahren hochgezogen worden waren. Obwohl Glenfield inmitten einer sehr schönen südenglischen Landschaft lag, war dies kein Ort, um Urlaub zu machen. Dazu fehlte vieles, denn Glenfield wirkte, zumindest auf uns, in diesen Morgenstunden abweisend.
Eine kleine Stadt, die man vergessen konnte, an der man einfach vorbeifuhr.
Nicht an diesem. Tag!
Heute war alles anders. Heute sollte Glenfield das große Wunder erleben. Heute war der Ort der Hoffnungsträger überhaupt, denn hier lebte das Mädchen, dessen Taten sich bereits herumgesprochen hatten. Schon zu dieser frühen Morgenstunde herrschte immens viel Betrieb. Suko hatte den BMW am Straßenrand abgestellt. Dabei war er fast bis in den Graben gefahren, denn nur so konnte uns die Schlange der Fahrzeuge passieren, die einfach nicht abreißen wollte.
Wir standen neben dem Auto und schüttelten die Köpfe. Nicht nur Personenwagen rollten auf Glenfield zu, sondern auch Kleinbusse, in denen mehrere Menschen saßen und darauf hofften, von ihren Leiden befreit zu werden.
Wir sahen auch Rollstühle in den Fahrzeugen und konzentrierten uns auf die Gesichter der Menschen. In denen der Kranken schimmerte Hoffnung, die anderen sahen verbissen aus, aber der Ort selbst war bereit, den Strom der Touristen aufzunehmen.
Vor Glenfield waren Parkplätze errichtet worden. Wer laufen wollte und konnte, durfte seinen Wagen hier abstellen. Andenkenbuden und Informationsstände gab es bereits hier. Selbst dort lauerten Reporter, um Fragen zu stellen.
Suko schüttelte den Kopf. »Verdammt, John, damit hätte ich nie und nimmer gerechnet.«
»Ich auch nicht.«
Der Inspektor schaute einem blau gespritzten Kleinbus mit Kranken nach. »Verstehst du das alles? Was treibt die Menschen nur dazu, sich in die Hände dieses obskuren Mädchens zu begeben? Ich komme da nicht mit, ehrlich gesagt.«
»Ich ebenfalls nicht. Doch ich kann mir vorstellen, daß sie verzweifelt sind. Sie haben wahnsinnig unter ihrer Krankheit gelitten. Sie waren bestimmt schon bei zahlreichen Ärzten und haben dort immer nur Absagen erhalten. Elenor Hopkins ist für diese Menschen wirklich der letzte Rettungsanker.«
Suko schaute mich an. »Ist er das tatsächlich?«
Ich hob die Schultern.
»Sie glauben es, John. Ja, sie glauben es.«
»Und der Glaube versetzt Berge.«
»Klar. Wie steht die Kirche dazu?«
»Leider hatte ich noch keine Zeit, darüber Informationen zu sammeln«, sagte ich. »Ich kann mir aber vorstellen, daß sie noch nicht von einem Wunder spricht.«
»Das denke ich auch. Für mich ist es Magie, John. Eine verflucht gefährliche Magie. Es ist der falsche Weg, den diese Menschen gehen, obwohl einige von ihnen ja geheilt wurden, wie wir aus verschiedenen Zeugenaussagen wissen.«
»Sicher, Suko. Man gibt ihnen Zucker. Man teilt es ihnen portionsweise zu, um dann um so sicherer zuschlagen zu können. Das dicke Ende wird noch kommen.«
»Und was ist das, bitte sehr?«
»Das werden wir herausfinden.« Ich schaute den Weg zurück, wo die Schlange der Fahrzeuge nicht abreißen wollte. »Komm, laß uns fahren, bevor es hier noch dichter wird und wir keinen Parkplatz mehr finden.« Ich stieg als erster ein, und Suko setzte sich hinter das Lenkrad. Es dauerte etwas, bis sich jemand fand, der uns in die Schlange hineinließ. Die Menschen konnten es kaum erwarten, an den Ort des Geschehens zu gelangen. Jeder Kranke hoffte darauf, daß gerade er von seinem Schicksal befreit wurde.
Manche Menschen winkten mit ihren Krücken aus den Autofenstern. Sie hofften darauf, sie noch am heutigen Tage wegwerfen zu können. Wahrscheinlich wurden sie enttäuscht.
Als ich diese Szenen sah, überkamen mich Wut und Depression zugleich. Ich ballte die Hände zu Fäusten und dachte dann daran, daß ich Sir James versprochen hatte, ihn über meine ersten Eindrücke zu informieren.
Er hatte schon auf den Anruf gewartet und meinte sofort: »Eigentlich müßten Sie schon am Ziel sein.«
»Sind wir auch, Sir.«
»Und?«
»Es ist unglaublich.« Er erhielt von mir einen Situationsbericht, der ihm die Sprache verschlug.
»So ist es tatsächlich, Sir.«
»Unglaublich.«
»Sicher.«
»Haben Sie mit dem einen oder anderen sprechen können, John?«
»Nein, Sir, das haben wir leider nicht. Oder noch nicht. Aber es wird sich ändern, verlassen Sie
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