077 - Der Schrei des Vampirs
Seite. Er drehte sich und schlug mit dem Schrubber zu.
Aber er hatte nicht genau gezielt, und so verfehlte der Schlag das fliegende Biest.
»Na warte!« knirschte Ray wütend. »Wenn du denkst, mich zum Narren halten zu können, hast du dich geschnitten!«
Die Fledermaus griff ihn furchtlos an. Sie sauste direkt auf sein Gesicht zu. Ihm stockte unwillkürlich der Atem. Das Vieh schien zu wachsen.
Er sah auf einmal nur noch grün, und dann spürte er einen glühenden Schmerz.
Er stöhnte auf und spürte etwas Warmes über sein Gesicht rinnen. Das mußte Blut sein! Verstört blickte Ray in den Spiegel, und sein Herz krampfte sich zusammen.
So viel Blut… Entsetzlich. Und der Schmerz machte Ray rasend.
Er hörte die Fledermaus flattern, aber er sah sie nicht im Spiegel. Das hätte ihm zu denken geben müssen, doch der Anblick seines Blutes machte ihn blind vor Wut.
Er hätte fliehen sollen, doch daran dachte er nicht. Er war nur von einem Wunsch beseelt: die Fledermaus zu erschlagen.
Der Anblick des Blutes regte nicht nur Ray Dillaway auf, sondern fast noch mehr Ez Carrado. Die Fledermaus stieß einen triumphierenden Schrei aus.
Das erste eigene Opfer! Ez Carrado würde zum vollwertigen Vampir werden, wenn er diesen jungen Mann getötet hatte… die Blutwandlung, die sich in dieser Schreckensnacht vollziehen würde.
Ez griff sein Opfer beim zweitenmal ungestümer an. Die Gier nach Ray Dillaways Blut machte ihn wild. Es sollte ihn stärken, und wenn er es getrunken hatte, würde er dieses Haus verlassen und seinen Eltern auf die Burg folgen. Vor ihren Augen würde sich dann die Blutwandlung vollziehen. Endlich würde auch er die Fähigkeit besitzen, menschliche Gestalt anzunehmen.
Ray Dillaway schlug blindwütig auf das flatternde Biest ein, doch Ez Carrado gelang es spielend, dem immer wieder niedersausenden Schrubber zu entgehen.
Abermals verletzte der Vampir sein Opfer. Ray stieß einen heiseren Schrei aus. Er schleuderte das Handtuch. Es fiel über die Fledermaus und riß sie zu Boden.
Jetzt glaubte Ray, gewonnen zu haben. Das Tier zuckte und zappelte unter dem Handtuch. Ray hieb darauf ein.
»Da! Da! Da!« stieß er hervor, und immer wieder sauste der Rückenschrubber herab, bis sich unter dem Handtuch nichts mehr regte.
Schwer keuchend hielt Ray inne. Seine Verletzungen schmerzten ihn im Augenblick nicht. Die Freude und Genugtuung über den Sieg war größer.
»Jetzt hast du's, du Mistvieh!« sagte Ray triumphierend.
Er nahm das Handtuch noch nicht fort, ließ den Schrubber fallen und wandte sich dem Spiegel zu.
Er dachte an Arlie Preston. Mit diesen Verletzungen konnte er nicht zu ihr gehen. Sie wäre vor Schreck in Ohnmacht gefallen.
Er drehte das Wasser auf und wusch sich das Blut ab.
Ray sah nicht, daß sich die Fledermaus unter dem Handtuch wieder bewegte. Vorsichtig kroch sie darunter hervor…
Ray merkte auch nicht, wie der Vampir hochflatterte. Das Rauschen des Wassers war zu laut.
Da war plötzlich etwas an seinem Hals. Er spürte die Berührung und starrte verstört in den Spiegel, doch er entdeckte nichts. Dennoch spürte er einen Biß in die Halsschlagader. Das konnte er sich unmöglich einbilden.
Er griff mit seinen nassen Händen hoch. Er spürte die ledernen Flügel, das weiche Fell, aber er konnte nicht begreifen, wieso er die Fledermaus im Spiegel nicht sah.
Entsetzt wollte er das Biest wegreißen, doch das war so wahnsinnig schmerzhaft, daß er sofort damit aufhören mußte. Röchelnd torkelte Ray Dillaway durch das Badezimmer, während die Bestie immer gieriger trank…
***
»Chao Kai?«
Bernard Hale verharrte einen Moment. Ihm war, als hätte er hinter der Tür ein leises Stöhnen vernommen.
»Ist alles in Ordnung, Chao Kai?«
Der Chinese gab keine Antwort, und das beunruhigte den PSI-Professor sehr. Die Vampire… Sie mußten Chao Kai überrumpelt haben.
Die Sorge um seinen Schüler verlieh dem Parapsychologen zusätzliche Kräfte. Obwohl in seiner Schulter sich bereits ein dumpfer Schmerz ausgebreitet hatte, machte Bernard Hale weiter. Er mußte zu Chao Kai, mußte ihm beistehen. Das Leben des Chinesen war in Gefahr.
Vielleicht tranken die Vampire bereits sein Blut.
Das möge der Himmel verhüten, dachte Bernard Hale bestürzt und rannte wieder gegen die Tür an. Er gewann zwei, drei Zentimeter, doch der Spalt war noch nicht breit genug, um hindurchschlüpfen zu können.
Hale preßte die Kiefer zusammen und setzte zum nächsten Rammstoß an. Wieder zwei, drei
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