077 - Der Schrei des Vampirs
Zentimeter. Und dann, beim nächsten Aufprall, schwang die Tür knarrend auf.
Hale kniff argwöhnisch die Augen zusammen. Lauerten die Vampire irgendwo? Sehen konnte er sie nicht - und auch Chao Kai war verschwunden!
»Chao Kai!« rief er. Chao Kai… Kai… Kai… Kai…
Durch Blood Castle geisterte ein unheimliches Echo.
Bevor der Parapsychologe die Burg betrat, tastete er nach dem schweren Hammer, der wie ein Revolver in seinem Gürtel steckte. Links trug er den Eichenpflock im Gürtel. Damit wollte er Zia und Yul Carrado den Garaus machen. Aber würde es ihm gelingen?
Zuviel Zeit war vergangen.
Hale hatte diesen Faktor unterschätzt. Wie dünner Sand war die Zeit ihm durch die Finger geronnen, und es war schneller dunkel geworden, als er berechnet hatte.
Sollte dieser Fehler nun Chao Kai zum Verhängnis werden?
Wie werde ich ihn wiedersehen? fragte sich Bernard Hale bange. Tot und blutleer? Wird er ein Leichnam sein, mit dem schwarzen Keim infiziert? In diesem Fall würde auch Chao Kai zum Blutsauger werden.
Professor Hale schüttelte sich. Das darf nicht sein, durchfuhr es ihn. Das muß ich verhindern!
Manchmal verfielen die Opfer von Vampiren in ein wochenlanges Siechtum, ehe sie endlich starben und sich als Untote wieder erhoben. Zumeist waren ihre Freunde und Angehörigen ratlos und wußten nicht, woran sie gestorben waren.
Der Vampir besuchte sein Opfer jede Nacht und trank immer nur wenig Blut.
Er konnte das Sterben aber auch erheblich beschleunigen, indem er das ganze Blut auf einmal trank. Deshalb war es nicht auszuschließen, daß Chao Kai bereits in ganz kurzer Zeit zum Schattenwesen wurde.
Dann wäre er Bernard Hales Feind gewesen, grausam und bluthungrig wie Zia und Yul Carrado. Ein Diener des Bösen, ein Wesen der Finsternis, ein gefährlicher Blutjäger, den mit seinem menschlichen Dasein nichts mehr verband.
Und ich habe ihn ins Verderben geschickt! dachte Bernard Hale nervös.
Er öffnete sein Hemd und legte die Gnostische Gemme frei - ein flacher Stein, der eine Schlange zeigte, die sich in den Schwanz biß.
Mit dieser Waffe würde Hale die Vampire nicht töten, aber schwächen beziehungsweise abwehren können. Und wenn er ihnen einen Teil ihrer gefährlichen Kraft geraubt hatte, sollten sie dem Eichenpflock zum Opfer fallen.
Doch zuerst mußte er sie aufstöbern.
Hale erkannte, daß es falsch gewesen war, nicht auf Tony Ballards Eintreffen zu warten. Er wußte selbst nicht, welcher Teufel ihn geritten hatte. Hatte er sich irgend etwas beweisen wollen?
Jedenfalls war es jetzt zu spät, die Sache rückgängig zu machen. Er konnte nicht umkehren, denn sein Schüler befand sich in der Gewalt der Vampire, und es war undenkbar, Chao Kai seinem Schicksal zu überlassen.
Seine Nerven spannten sich, als er die Burg betrat. Er war ein äußerst sensibler Mensch, und er glaubte zu spüren, daß er über einen kalten Höllenboden schritt.
Andere Burgen, die so lange leerstanden, verfielen allmählich, wurden zu Ruinen. Blood Castle jedoch war vom Zahn der Zeit verschont geblieben.
Schwarze Magie schützte die Burg. Aus jedem Winkel wehte sie den Parapsychologen wie ein eisiger Todesatem an.
Er blickte sich gespannt um, untersuchte den Boden, doch er fand keine Spuren, denen er hätte folgen können.
In der Dunkelheit ächzte schaurig eine Tür. Der PSI-Professor schlich auf dieses Geräusch zu und gelangte in einen kurzen, schummrigen Gang.
Wieder ächzte die Tür, und im nächsten Moment fiel sie mit einem dumpfen Knall zu.
Bernard Hale wirbelte herum. Eine Falle!
***
Lautlosen Todesschatten gleich waren die Vampire über Chao Kai hergefallen. Blitzschnell hatten sie zugeschlagen. Der Chinese hatte keine Chance gehabt, ihren Angriff abzuwehren.
Und nun trugen sie ihn über eine Treppe, die sich nach unten schraubte, ins düstere Verlies.
Yul Carrado wollte die Rückkehr auf eine besondere Weise feiern, und Chao Kai und Professor Hale kamen ihm dafür gerade recht. So brauchten er und Zia nicht erst Opfer aus Laxford zu holen.
Ein rauschendes Blutfest sollte es werden. Eine Feier, die den Carratlos zur Ehre gereichte.
Das war der Grund, weshalb die Blutsauger den Asiaten nicht sofort töteten. Sie wollten ihn erst einmal an einen sicheren Ort bringen und sich anschließend auch den Professor holen.
Fast lautlos bewegten sich die Vampire, und Zia Carrado war kräftig genug, um die Beine des Chinesen mühelos zu tragen. Eine grausame, gefährliche Schönheit war sie. Trotz
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