077 - Die Gruft der bleichenden Schädel
sehen konnte, beschrieb die
Landschaft, den Lauf des Flusses, der sie mitten durch einen wilden Dschungel
tragen würde, und schien den Totenkopf an der Wand nicht zu bemerken.
Das war kein
Dia! Der Kopf bewegte sich!
In den
großen, ausgefransten Augenlöchern glomm ein gespenstisches, unheimliches
Licht.
Die breiten
Kiefern bewegten sich mahlend, öffneten sich, und für Bruchteile von Sekunden
sah es aus, als wolle der schrecklich aussehende Schädel Harry van Looses Kopf
verschlingen.
●
Miriam hielt
entsetzt den Atem an, und ein eisiger Schauer lief über ihren Rücken.
Das alles
wirkte so lebensecht, so überzeugend.
Sie nahm
nicht mehr nur an einer Fernsehsendung teil, sondern fühlte sich beobachtet.
Angst und Beklemmung legten sich auf ihr Herz, als sie glaubte das Bild käme
wie in einem 3-D-Film auf sie zu. Sekundenlang füllte es wie ein dunkler Nebel
die Bildfläche aus, die schrecklichen, lautlos mahlenden Kiefer standen vor ihr
im Raum, als löse sich der unheimliche Schädel vom Fernsehbild. Das Studio,
Harry, seine Stimme, sein erstaunlich ruhiges Verhalten, das eindeutig darauf
hinwies, daß er von dem Totenkopf überhaupt nichts sah!, verschwanden in
endloser Ferne.
Dann war der
Spuk vorüber, das Bild verschwunden.
Miriam Brent
schluckte.
Das Studio
war unverändert.
Im
Vordergrund sah man einen Teil des Tisches, dahinter Harry und die Tafel, auf
der die Karte von Borneo leuchtete. Er machte noch ein paar Andeutungen über
die Schwierigkeiten, mit denen er rechnete ohne allerdings sagen zu können, was
wirklich auf sie zukam.
»Das alles
werden wir erst wissen, wenn alles vorüber ist«, dröhnte seine Stimme aus dem
Lautsprecher. »In drei Tagen brechen wir auf, und in drei Monaten werden wir
zurück sein. Drücken Sie uns die Daumen, daß alles gut geht!«
Er kam noch
einmal groß ins Bild, als der Moderator, der die Sendung leitete, auf ihn
zuschritt, ihm die Hand drückte und sagte: »Vielen Dank, Harry van Loose! In
drei Monaten dann hier, an dieser Stelle, zur gleichen Zeit. Mit hoffentlich
ausreichend belichtetem Filmmaterial.«
»Wir haben
jedenfalls genügend dabei.«
Die Szene
wurde abgeblendet. Das war unverständlich. Kein Wort über den eingeblendeten
Totenschädel!
Eine
Erklärung wäre Harry seinen Zuschauern schuldig gewesen.
Miriam Brent
saß noch einige Minuten regungslos vor dem Fernsehgerät. Sie ließ den
Titelnachspann vorübergleiten, ohne die vielen Namen, unter denen sich auch der
Harry van Looses befand, wahrzunehmen.
Schließlich
schaltete sie den Apparat ab. Ihr Schädel brummte, sie fühlte sich benommen und
unsicher auf den Beinen.
Als das
Telefon läutete schreckte sie zusammen, weil sie gedanklich immer noch bei dem
furchtbaren Bild war, das nicht kommentiert wurde, und das – trotz des
Hintergrundes – nicht in den Rahmen der Sendung gepaßt hatte. Wie ein Schatten
verfolgte sie der riesige Schädel mit den gespenstisch glühenden Augenhöhlen.
Miriam Brent
nahm den Hörer ab und meldete sich.
Am anderen
Ende der Strippe erklang eine wohlvertraute Stimme: »Hallo Darling! Da bin ich
wieder. Diesmal ganz allein für dich.«
Harry van
Loose befand sich in aufgeräumter Stimmung.
»Hallo,
Harry! Nett, daß du anrufst.« Miriam atmete hörbar auf. Ihre Stimme klang nicht
ganz so frisch wie sonst.
»Ich wollte
dir nur sagen, daß ich in spätestens einer halben Stunde bei dir im Hotel bin.
Dann gehen
wir gemeinsam in die Bar und nehmen einen Drink zu uns. Okay? Zieh dir was
Nettes an!«
»Drink ist
gut. Den kann ich jetzt gebrauchen.«
»Deine Stimme
klingt so komisch. Ist etwas nicht in Ordnung? Was für eine Laus ist dir über
die Leber gelaufen?«
»Ich bin
erschrocken, Harry. Das ist alles. Ich habe gar nicht gewußt, daß mich solche
Dinge derart aus der Fassung bringen können. Dieses verrückte Bild, das du
gezeigt hast! War das wirklich nötig? Ein neuartiger Test, um die Nerven der
Zuschauer zu strapazieren? Ist das der Grund, weshalb ihr alle im Studio
stillschweigend die Einblendung übergangen habt? Wollt ihr erst mal die Reaktion
des Publikums abwarten?«
»Ich verstehe
nicht, wovon du redest, Miriam! Was für ein Bild, was für eine Einblendung?«
Sie erklärte
es ihm.
Er hörte
aufmerksam zu und antwortete mit ruhiger, kühler Stimme: »Aber, Darling, kein
Wort davon ist wahr! Vom Regieraum wurde kein Dia eingeblendet. Ich verstehe
das nicht.«
»Ihr habt
also nicht…?« Miriam merkte, wie es in ihrem
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