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077 - Zu Gast bei Mr. Vampir

077 - Zu Gast bei Mr. Vampir

Titel: 077 - Zu Gast bei Mr. Vampir Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Randa
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sind immer noch knöchern, aber sie sehen lebendig und rosig aus.
    Es ist wie eine Regeneration. Er erinnert sich vage daran…
    Er erinnert sich zwar nicht mehr, was das bedeutet, aber er weiß genau, daß es nicht das erstemal ist, daß das geschieht.
    Er ist in Wahrheit ein anderer. Arthur Leggatt ist nichts als eine Hülle, in die er sich zurückzieht, um abzuwarten. Nichts als ein Mythos, ein Unterschlupf für die Zeit, wenn er seinen wahren Platz nicht einnehmen kann.
    Der bestellte Vermouth wird serviert.
    Während sie darauf warten, daß die Köchin die Speisen bereitet, lehnen Jeannine und Juliette, die Serviererinnen, mit dem Rücken an der Küchentür. Beide sind hübsche Mädchen. Jeannine hat dunkles Haar, ist schlank und zart, und ihre Bewegungen sind elegant und graziös. Sie ist die intelligentere der beiden.
    Juliette ist vom Land, größer und stärker als Jeannine. Ihr Haar ist blond, und ihr Gesicht ist glatt und ein wenig ausdruckslos.
    „Kannst du mich heute abend vertreten?“ fragt Juliette.
    „Ich fahre nach Saint Prix.“
    „Ja, aber da kommst du doch stets zeitig zurück“, beharrt Jeannine.
    „Übermorgen kannst du dir den ganzen Tag frei nehmen, George fährt nach Lilles.“
    Juliette ist verliebt. Ihr Verlobter ist Vertreter und häufig auf Reisen, und so versucht sie immer, sich von Jeannine vertreten zu lassen, wenn er in Paris ist.
    Jeannine ist drei Jahre älter als Juliette, und sie hat eine Tochter mit achtzehn Monaten, die sie in Saint Prix in Pflege hat. Eine Tochter und keinen Ehemann. Aber sie ist nicht verzagt deshalb. Der Mann, den sie geliebt hat, war nicht viel wert, und möglicherweise sind doch alle Männer gleich…
    Leggatt weiß all das. Er kennt alle ihre kleinen Geheimnisse, ohne jemals privat mit ihnen gesprochen zu haben. Er hört ihnen so oft zu … obwohl er ihre Stimmen nicht hören kann.
    Jeannine bringt ihm sein Steak. Sie legt ihm vor.
    „Sie sehen so verändert aus, Monsieur Leggatt“, sagt sie nach einem aufmerksamen Blick in sein Gesicht.
    „Verändert?“
    „Ja. Sie sind kaum wiederzuerkennen“, meint sie lachend.
    Also merkt man es bereits. Das ist gefährlich. Es ist unangenehm, wenn man sich in einer Art Niemandsland des Gewissens befindet und schon seine Vorsichtsmaßregeln treffen muß.
    Arthur Leggatt hat nichts zu verbergen. Es ist etwa so, als ob man nach tiefem Schlaf plötzlich aufwacht und nicht weiß, wo und wer man ist. Er weiß, daß er Arthur Leggatt ist. Aber überdies noch ein anderer…
    Arthur Leggatt, geboren in Brighton. Pensionierter Fotograf. Seine Mutter war Französin. Er lebt von einer ziemlich hohen Rente, die ihm unter den Fingern zerfließt, ohne daß er wüßte, wofür er das Geld ausgibt.
    Es ist sehr seltsam. Und noch merkwürdiger ist, daß er den Eindruck hat, es sei nicht von Bedeutung. Es ist unerklärlich, aber logisch. Das einzig Wichtige ist, daß er sehr vorsichtig sein muß.
    Das Steak ist zart und innen blutig, wie er es am liebsten hat. Er ißt mit großem Appetit, und der Beaujolais schafft ein Wohlgefühl. Sonst trinkt er immer Mineralwasser, seines Magens wegen. Was soll nun diese Dummheit? Sein Magen ist völlig gesund! Und außerdem haßt er Mineralwasser.
    Arthur Leggatt? Ist das sein richtiger Name? Oder ist er nichts als Tarnung? Tarnung für all die Jahre, während denen er sich auf eine bessere, vornehmere Rolle vorbereitete?
    Ja. Er hat eine Aufgabe zu erfüllen. Und er weiß bereits, daß es eine großartige Rolle sein wird…
     

     
    Eine Aufgabe! Das, was ihn daran so besonders überrascht, ist die Entschlossenheit und die Willenskraft, die ihn erfüllen. So, als ließe er alles hinter sich, was das Alter an Beschwerlichkeiten für ihn bereitgehalten hat, und zwar für immer.
    Jeannine und Juliette sind sich einig.
    „Ich muß mich beeilen“, sagt Jeannine. „damit für meine Kleine ein wenig Zeit bleibt!“
    „Übermorgen kannst du alles nachholen.“
    „Ja, übermorgen bringe ich sie zu ihrer Großmutter, und wir werden den ganzen Tag in Dreux verbringen. Dann komme ich erst Freitag früh zurück.“
    Leggatt betrachtet sie aufmerksam. Sie ist ein nervöses Geschöpf. Ihr Haar ist etwas zerrauft, und ihr Busen zeichnet sich unter dem engen schwarzen Pullover ab. Wofür er sich bloß plötzlich interessiert! Für den Busen einer Serviererin! Das ist ihm noch nie passiert!
    Er kann die aufgedonnerten Schönheiten nicht leiden. Jeannine ist ein Mädchen genau nach seinem Geschmack.

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