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0770 - Kind der Finsternis

0770 - Kind der Finsternis

Titel: 0770 - Kind der Finsternis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roger Clement
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Tod, zum Kosmos und zum Sinn unserer Existenz zu stellen.«
    Zamorra dachte ketzerisch, dass er selbst gewiss schon ein paar mehr Welten und Wirklichkeitsebenen als der hier so hochverehrte Inder kennen gelernt hatte.
    Doch bevor ihm eine scharfzüngige Erwiderung herausrutschen konnte, betrat der Guru den Saal!
    Meister Nando gab sich wie ein Sadhu, einer der heiligen Männer Indiens. Sein ausgemergelter Körper war nackt bis auf ein Lendentuch. Mit Erdfarbe hatte er sich Symbole auf Gesicht, Brust und Oberarme gemalt. Der lange Bart und das Haar waren verfilzt, weil sie vermutlich seit ewigen Zeiten nicht gewaschen worden waren. In den Ohrläppchen steckten Pfeilspitzen mit Widerhaken, ebenso in den Nasenflügeln.
    Seine Anhänger verneigten sich, indem sie mit ihren Stirnen den Boden berührten. Die Gäste der Fragestunde standen verunsichert da. Zamorra und Nicole falteten die Hände vor der Brust, um nach indischer Art zu grüßen.
    Aber Meister Nandos Aufmerksamkeit galt ohnehin nur den beiden Dämonenjägern.
    »Ich grüße euch, Fremde aus dem Palast am Flussufer. Ihr seid mir im Traum erschienen.«
    Mit schnellen Schritten trat der Guru auf Zamorra zu. Der Dämonenjäger rechnete schon mit einem Angriff. Doch stattdessen warf sich Meister Nando vor Zamorra auf den Boden. Er stellte einen Schuh des Dämonenjägers auf seinen knochigen Schädel. Das war eine traditionelle Unterwerfungsgeste, wie Zamorra wusste.
    »Nehmt meinen innigsten Dank entgegen, Fremde aus dem Palast am Flussufer. Ich habe gesehen, wie ihr die Welt vor dem Bösen rettet. Ohne euch wären wir alle verloren!«
    ***
    Zamorra und Nicole waren verblüfft.
    Mit dem »Palast am Flussufer« war zweifellos das Château Montagne gemeint. Verfügte Meister Nando doch über mehr spirituelle Fähigkeiten, als die beiden Dämonenjäger ihm zugetraut hatten?
    Aber andererseits hatte Zamorra in den vergangenen Jahren gelegentlich unfreiwillig im Licht der Öffentlichkeit gestanden.
    Für einen gut informierten Menschen war es daher nicht unmöglich, Zamorra auf Anhieb zu erkennen. Selbst dann, wenn er ihn noch nie zuvor persönlich gesehen hatte.
    Zamorra beschloss, dem Guru genauer auf den Zahn zu fühlen. Doch zunächst versuchte er, Nando aus dessen unterwürfiger Haltung zu befreien.
    »Ich bin hierher gekommen, weil ich mit dir sprechen wollte, Meister Nando. Und nicht, damit du dich mir zu Füßen wirfst.«
    »Wie du es wünschst.« Der Guru erhob sich mit geschmeidigen Bewegungen. »Ich wollte dir und deiner Gefährtin nur meine Ehrerbietung kundtun.«
    »Du sagst, dass wir die Welt vor dem Bösen retten, Meister Nando. Wie kommst du darauf?«
    »Ihr seid mir im Traum erschienen. Zuerst befandet ihr euch noch in dem Palast am Flussufer, in einem fremden Land. Alles war friedlich und harmonisch. Doch dann riefen die Kriegstrommeln zum Kampf. Man sah brennende Vögel, die ins Nichts stürzten, und andere böse Vorzeichen. Aber ihr versteht euch auf die Magie. Als sich die Dämonen zum Sturm rüsteten, standet ihr schon zur Abwehr bereit.«
    »Welche Dämonen hast du denn gesehen?«, wollte Nicole wissen.
    »Es waren Dämonen meiner indischen Heimat. Rakshasas, aber auch die furchtbaren Asuras, die es sogar mit den Göttern aufnehmen können.«
    »Und wo fand dieser Kampf statt?«, fragte Zamorra. »In unserer Welt oder in einer anderen?«
    »Ich weiß es nicht«, räumte der Guru ein. »Die Umgebung war seltsam, auch bedrohlich. Es war eine ferne, vielleicht längst vergangene Welt. So, wie sie im Ramayana beschrieben wird.«
    Zamorra nickte. Dieser Begriff sagte ihm etwas. Das Ramayana war ein klassisches langes Gedicht der indischen Literatur. In 48.000 Versen wurde darin geschildert, wie der Gott Rama, seine Gefährtin Sita und der Affengott Hanuman auf Erden wandelten und gegen die Dämonen kämpften.
    Die Erwähnung des Gottes brachte den Dämonenjäger auf sein eigentliches Anliegen.
    »Hast du eigentlich einmal den Namen Vasu gehört, Meister Nandu?«
    Der Guru fuhr sich durch sein verfilztes Haar.
    »Ich spüre, dass du sehr gut informiert bist.«
    »Nicht so gut, wie du vielleicht glaubst«, gab Zamorra zu. Er beschloss, mit offenen Karten zu spielen. »Ich weiß nur, dass es Vasu gibt.«
    »Ja, es gibt ihn. Und das ist auch gut so, denn Vasus Leben ist der Ausgleich zwischen Götterwelt und Dämonenwelt. Mit seinen ihm eigenen Fähigkeiten sorgt er dafür, dass die Dämonen Indiens niemals übermächtig werden können.«
    »Das verstehe

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