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0770 - Kind der Finsternis

0770 - Kind der Finsternis

Titel: 0770 - Kind der Finsternis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roger Clement
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besudelte.
    Normalerweise wäre die Inspektorin ausgerastet. Aber sie war ohnehin suspendiert und trug die Uniform nur noch aus Gewohnheit. Nun hatte sie wenigstens genug Zeit, um nach ihrem Baby zu suchen. »Aber warum sollte ich dir helfen, Asha Devi?«, fuhr Kali fort. »Du hast mir schon oft genug Ärger gemacht.«
    »Weil ich mich dir unterwerfe!« Mit diesen Worten sank Asha Devi auf die Knie. Und obwohl sie sich dafür hasste, beugte sie sich vor bis sie mit der Stirn den Boden zu Kalis Füßen berührte.
    »So gefällst du mir schon viel besser! Eine Asha Devi, die vor mir im Schmutz kriecht. Ich muss sagen, daran könnte ich mich gewöhnen…«
    »Bitte, große Kali. Wo ist mein Kind? Geht es ihm gut?«
    Ashas Stimme klang dünn und brüchig, wie die eines jungen Mädchens. Sie hatte alles versucht, um eine Spur ihres Kindes zu finden. Natürlich hatte sie auch die guten Götter angerufen.
    Doch die konnten oder wollten nichts sagen. Blieb also nur Kali übrig… »Dein Kind ruft oft nach dir.« Asha Devi kämpfte mit den Tränen, wofür sie sich selbst noch mehr verachtete.
    Falls das überhaupt möglich war.
    »Dann bring mich zu ihm, o große Kali.«
    »Das geht nicht. Ich darf dich nicht zu dem Ort geleiten, an dem sich Vasu aufhält.«
    Die Inspektorin horchte auf. »Ist das der Name meines Babys? Vasu?«
    Die Göttin des Todes und der Vernichtung nickte bedeutsam.
    Und Asha Devi musste für einen Moment an ihren Vater denken. Wie glücklich würde er sein, dass sie einen Enkel zur Welt gebracht hatte. Einen Jungen, denn der indische Name Vasu war ein Männername. Genau wie Asha übrigens. Sie hatte ursprünglich auch ein Junge werden sollen, und ihr Vater hatte ihrer Mutter nie verziehen, dass sie stattdessen nur ein Mädchen geboren hatte.
    Aus seiner Sicht war es daher nur logisch, dass er Asha schon als kleines Kind den Göttern hatte opfern wollen…
    Das Hohnlachen der düsteren Göttin unterbrach Asha Devis Gedankenflut.
    »Du kannst ganz unbesorgt sein, Asha! Vasu ist ein richtiger Junge, im Gegensatz zu dir. Dein Vater wird nicht wieder zum Opfermesser greifen müssen…«
    Die Inspektorin kämpfte mit den Tränen. Sie wollte der grauenvollen Göttin nicht den Triumph gönnen, sie weinen zu sehen. Aber ihren geplanten Opfertod als Kind hatte sie immer noch nicht überwunden.
    Zum Glück hatten die Götter sich damals geweigert, das Leben eines unschuldigen Kindes als Opfer anzunehmen.
    Vielmehr war Asha Devi seit damals ein erklärter Liebling der Götter. In letzter Zeit allerdings zweifelte die Inspektorin daran, ob die höchsten Wesen Indiens ihr immer noch wohl gesonnen waren. Warum weigerten sie sich alle so hartnäckig, ihr bei der Suche nach ihrem Kind zu helfen?
    Kali beantwortete die Frage prompt. Als Göttin konnte sie selbstverständlich Gedanken lesen.
    »Wir alle müssen uns den Ewigen Gesetzen des Kosmos unterwerfen, Asha Devi. Selbst ich, die ich ansonsten auf alle Regeln und Vorschriften spucke, wie du weißt. Vasu wird eine wichtige Rolle einnehmen, wenn es um die Zukunft der Menschheit geht. Du hast eine sehr bedeutende Persönlichkeit zur Welt gebracht, Asha Devi.«
    Normalerweise war die Inspektorin für Schmeicheleien empfänglich. Doch bei Kali, der Schrecklichen und Entsetzlichen, fiel sie nicht darauf herein. »Wer ist Vasus Vater? Nakula Kumar beteuert jedenfalls, es nicht zu sein.«
    »Dieser elende Tropf ist es auch nicht. Wenn er sein vieles Geld nicht hätte, wäre er noch nichtswürdiger als der letzte Bettler Indiens, der wenigstens einen Sohn zeugen kann!«
    Kali wusste also von der Unfruchtbarkeit des Mannes! Das hätte Asha allerdings nicht erstaunen dürfen, denn als Göttin hatte die Entsetzliche ganz andere Möglichkeiten, an Informationen zu gelangen.
    Kali ergriff abermals das Wort. »Du bist ungeduldig, Asha Devi, und ich kann dich sogar verstehen. Und wenn ich dir auch nicht direkt helfen darf, so werde ich dir doch einen wichtigen Hinweis geben. Hier in New Delhi oder überhaupt in Indien kannst du suchen, bis du so schwarz bist wie ich. Du musst in London nach deinem Kind suchen. Dort, wo du es auch zur Welt gebracht hast…«
    »Ich habe Vasu in London geboren?«
    »So ist es, Asha Devi.«
    »Aber ich kann mich an die Zeit in London kaum erinnern!«
    »Das wundert mich nicht. Während deiner ganzen Schwangerschaft warst du in einer magischen Trance. Du hast in einem stillen Haus gelebt. Man hat für dein Essen und deine Kleidung gesorgt. Du wurdest

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