0771 - Der Knochen-Sessel
hierher.«
»Kann ich mir denken.«
Rechts von uns lag der Central Park. Seine Bäume wuchsen wie eine dunkelgrüne Mauer in die Höhe. Sie überragten natürlich nicht alle Bauten, und ein Gebäude stand besonders wuchtig am Rand des Parks, nur durch eine Straße von ihm getrennt.
Es war das American Museum of Natural History, das ich mir gern von innen angesehen hätte, doch diese Zeit blieb mir leider nicht. Andere Dinge waren wichtiger, denn wir mussten dorthin, wo die Auktion stattfand. Und wir lagen gut in der Zeit, denn bis zum Beginn waren es noch etwas mehr als zwei Stunden.
»Da ist es!«, sagte mein Führer und zeigte auf einen braun-roten Backsteinbau.
Ich blieb stehen. »Irrst du dich nicht?«
Er war erstaunt. »Nein, warum?«
»Das Haus sieht aus, als würde es jeden Augenblick ineinander krachen.«
Douglas lachte. »Von wegen. Es gibt eben Architekten, die es verstehen, Neues auf alt zu trimmen. Und das ist bei diesem kleinen Museum gemacht worden.«
Er hatte Recht. Das Haus selbst war zu einem kleinen Kunstwerk geworden. In seiner perfekten Sauberkeit hatte es sich der gesamten Umgebung angepasst. Hinzu kam der hohe Frühherbsthimmel mit den weißen Wolkenstreifen, der über Manhattan lag. Das war ein New York, wie man es nicht oft sah.
Wer hier wohnte, dem ging es gut, und der zeigte es auch. Mütter führten Kinder spazieren. Sie sahen aus wie Frauen, die sich keine Sorgen über die Zukunft zu machen brauchten, und sie dokumentierten dies auch. Ihre und die Kleidung ihrer Kinder waren in den nobelsten Läden gekauft worden. Viele Kinder waren im Laura-Ashley-Stil gekleidet, der eine Renaissance erlebte und die nüchterne Sachlichkeit abgelöst hatte. Man wollte es wieder gemütlich haben.
Das spielte sich in der Mode und auch im Wohnstil wider. Das Land, das Landleben, die Sehnsucht nach einer heilen Welt, nach Gemütlichkeit, nach Sonnenuntergängen und einem Abend am Kamin.
Vor dem Eingang stand ein Doorkeeper. Er trug eine graue Uniform und auf dem Kopf einen roten Zylinder. Über seine Hände hatte er graue Handschuhe gestreift. Wer die zweiflügelige Tür öffnen wollte, musste an ihm vorbei, und das ging nicht so leicht außerhalb der festgesetzten Zeiten.
»Sorry, Gentlemen, aber wir haben noch geschlossen.« Er war freundlich, näselte etwas, was mich zu einem leichten Grinsen veranlasste.
Nicht so Abe Douglas. Er wollte sich nicht so einflach abspeisen lassen. »Wir müssen aber hinein«, sagte er und zeigte dem Türwächter seinen Ausweis.
Der Doorkeeper betrachtete ihn genau. Er schluckte, dann nickte er. »Bitte, Sie können passieren.«
Das taten wir noch nicht, denn Abe hatte eine Frage. Er wollte wissen, ob der Auktionator schon eingetroffen war.
»Sie meinen Mr. Archie Donovan?«
»Ja, muss wohl so sein.«
»Natürlich ist er anwesend.«
»Danke, das wollten wir wissen.«
Der Doorkeeper hielt uns die Tür auf, und wir betraten einen außergewöhnlichen Bau.
Ich weiß nicht recht, wie ich ihn beschreiben soll, es fällt mir schwer, weil man hier Alt und Neu in einer perfekten Mischung miteinander verbunden hatte.
Rechts die alte Mauer aus dunklen Steinen, die einen Gang flankierten. Hohe Türen, manche davon zweiflügelig. Mich hätte es interessiert, was dahinter lag, aber ich bezähmte meine Neugierde und schaute nach links in die andere Richtung, wo der Anbau perfekt mit dem Alten harmonierte.
Ein wunderbarer Wintergarten öffnete sich vor uns. Sehr geräumig, sodass genügend Stühle für die zu erwartenden Käufer und Mitbieter Platz gefunden hatten. Man hatte den Wintergarten als gläserne Halbkugel gebaut. Die einzelnen Streben waren weiß gestrichen worden, der Untergrund bestand aus einem roten Pflaster, sodass der Besucher das Gefühl haben konnte, im Freien zu sitzen und trotzdem beschützt zu sein.
Jenseits des großen Wintergartens lockte eine perfekt angelegte Gartenlandschaft im japanischen Stil. Viel Grün und kleine Pflanzen. Dazwischen schimmerten Teiche wie Augen, führten kleine Brücken von einem Wasser zum anderen, gab es Hügel und Treppen. Ein sehr gediegener Garten, einer, der beruhigte.
Mir gefielen auch die grünen Stühle, die in einem Halbkreis aufgebaut waren.
Ich hörte Abe lachen. »Du siehst aus, John, als seist du sehr beeindruckt.«
»Ich sehe nicht nur so aus, ich bin es auch.«
»Freut mich. Wir Amerikaner haben eben von euch Europäern gelernt. Wir schauen wieder zurück auf die alten Werte. Das alles passt wunderbar
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