0775 - Haus der Toten
innehielten, als wären sie in ein unsichtbares Netz hineingerannt.
»Lass sie gehen!«, befahl er ruhig, hob Merlins Stern und presste ihn gegen die Wand neben der Tür. Wieder ging ein knirschendes, hölzernes Stöhnen durch das Haus, während das Amulett sich erwärmte. Unerbittlich presste Zamorra es gegen die Wand, bis Nicole und der Rest der Gruppe mit einem Mal vorwärts stolperten. Er sah ihnen noch ein paar Sekunden lang nach. Dann drehte er sich um und machte zwei Schritte in den Eingangsbereich hinein. Er hielt das Amulett vor sich wie einen Schild.
»Also dann«, rief er dem Haus zu. »Zeig mir, was du zu bieten hast!«
***
Noch während sie auf den Jeep zurannten, gab Nicole schon die ersten Anweisungen.
»Jack und David!«, stieß sie zwischen keuchenden Atemzügen hervor, »ihr packt Jenny auf die Rückbank! David setzt sich zu ihr und Jack auf den Beifahrersitz! Ich hole den Benzinkanister aus dem Auto. Sobald alle drin sind, fahren Sie los, Williams!«
Die anderen waren zu sehr außer Atem, um zu antworten. Die jungen Männer waren ihr dicht auf den Fersen. Trotz der zusätzlichen Belastung durch Jennys reglosen Körper war David etwa genauso schnell wie Jack. Nur der Dekan war etwas zurückgefallen. Schwer atmend arbeitete er sich vorwärts. Körperliche Fitness gehörte nicht zu seinen Hobbys, und er war auch nicht mehr der Jüngste. Er spürte, wie sein Herz in seiner Brust gefährlich schnell schlug. Zudem war ihm schlecht, und er hatte schon, seit sie das Haus verlassen hatten, den Eindruck, dass irgendetwas mit ihm nicht in Ordnung war.
Das Beunruhigendste war, dass er das Gefühl hatte, die Stimmen würden wieder auf ihn einreden. Er konnte sie beinahe hören, ohne ausmachen zu können, was sie sagten.
Aber wenn er eine Sekunde inne halten würde, nur für einen Moment anhalten, würde er verstehen, was sie ihm sagen wollten…
Wütend schüttelte er den Gedanken ab.
Nicht langsamer werden. Nicht anhalten! Nicht umdrehen!, hämmerte er sich ein.
Aus irgend einem Grund, den er sich selbst nicht erklären konnte, war er sich sicher, dass etwas Schreckliches mit ihm passieren würde, wenn er jetzt nicht so schnell wie möglich weiterlief.
Ihm war schwindelig und sein Atem ging ruckartig. Verzweifelt versuchte er, sich weiter anzutreiben, seine Beine mit letzter Kraft immer wieder nach vorne zu werfen. Plötzlich stolperte er, fiel hin und überschlug sich.
Eine Sekunde blieb er benommen liegen. Dann fanden seine Hände den Ast, über den er gestolpert war. Und mit einem Mal wusste er, was die Stimmen zu ihm sagten. Er erinnerte sich wieder daran, was er tun musste.
Nicole war als Erste am Wagen. Sie öffnete die Heckklappe und tastete nach dem Benzinkanister. Währenddessen hörte sie, wie David Jenny keuchend auf die Rückbank hob und Jack die Beifahrertür öffnete.
Sie warf einen kurzen Blick nach vorne. Das Mädchen saß gegen die hintere rechte Tür gelehnt, Jack neben ihr. David zeigte ihr den nach oben gestreckten Daumen mit einem breiten Grinsen. Wir haben es geschafft!, drückte diese Geste der Erleichterung aus. Wir haben überlebt!
Aber Zamorra war noch im Haus. Und sie musste so schnell wie möglich zu ihm zurück. Wo war Williams? Sie warf einen Blick in Richtung des Geisterhauses und sah den Dekan auf sie zustolpern.
In diesem Moment spürte sie die glatte Plastikoberfläche des Kanisters unter ihren Fingern. Erleichtert wuchtete sie ihn aus dem Auto, fuhr herum und wollte gerade loslaufen, als sie etwas an der Schläfe traf und zu Boden warf.
Verschwommen konnte sie sehen, dass Williams über ihr stand und einen etwa einen Meter langen, armdicken Ast schwang. Seine Gesichtszüge waren im Mondlicht nur ansatzweise zu erkennen, aber dennoch konnte sie sehen, dass seine Miene von Hass verzerrt war.
»Wie oft, Charlotte?«, brüllte der Dekan. »Wie oft habt ihr es getrieben?«
Er holte aus und ließ den schweren Ast auf ihren Kopf hinuntersausen!
***
Die Veränderung begann so langsam, dass sie zuerst kaum zu sehen war. Ein Knirschen ging durch das ganze Haus, als sich die Decke des Eingangsbereichs allmählich absenkte. Der Boden unter Zamorras Füßen begann zu vibrieren.
Dann, mit einem plötzlichen Krachen, wurde die Treppe aus der Verankerung gerissen und in den Raum hineingedrückt. Von unten schob sich ein Halbreis aus zugespitzten Holzbrettern wie faulige Zähne durch den Boden. Die Wand hinter den Stufen schob sich nach vorne, und die Wände zu beiden
Weitere Kostenlose Bücher