0776 - Die Krieger-Prinzessin
noch immer bewusstlos in dem Boot, das nun flussabwärts trieb.
Die hasserfüllten Trauergäste hatten nur Augen für die beiden Frauen, die sie für Dämoninnen hielten. Vielleicht achteten sie auch deshalb nicht auf den Kahn, weil ungefähr ein Dutzend mehr oder weniger einsatzbereite Boote in Ufemähe dümpelten.
Dann wird wenigstens der Chef dieses Abenteuers überleben!, dachte Nicole düster, während sie den ersten Angreifer mit einem Fausthieb von den Beinen holte.
Für sich selbst und Asha sah die Französin schwarz. Nicole war unbewaffnet. Zwar konnte sie jederzeit das Amulett per Gedankenbefehl rufen. Aber wozu? Ihre Gegner waren offensichtlich keine Dämonen, sondern zornige Menschen. Merlins Stern half nur gegen schwarzmagische Wesen sowie deren Diener. Wenn Nicole das Kleinod aus dem Nichts hervorzauberte, wurden die Angreifer noch bestärkt, die sie für eine Dämonin hielten…
Nicole beherrschte mehrere Kampfsportarten. Und auch Asha Devi, die früher bei der Riot Police gedient hatte, wusste sich ihrer Haut zu wehren. Aber es waren einfach zu viele Angreifer. Hinzu kam, dass viele der Männer mit Knüppeln bewaffnet waren. Die beiden Frauen hingegen mussten sich mit bloßen Fäusten verteidigen.
Nicole verschaffte sich mit ein paar Kung-Fu-Tritten Platz. Ihr fiel eine alte chinesische Technik ein, die den Riesen-Feindeskreis durchbrechen hieß. Sie bestand darin, dass man den schwächsten Gegner niederprügelte und dann durch die entstehende Lücke in der Umringung sprang.
Das klang in der Theorie nicht schlecht. Nicole schlug auch wirklich einen der Männer sofort k.o. Leider wurde er sofort durch zwei seiner Kumpane ersetzt. Und ein dritter Angreifer griff von der Flanke her an. Sein Knüppel sauste auf Nicoles Kopf herab! Zum Glück konnte die Dämonenjägerin sich noch leicht zur Seite wenden. Daher wurde sie nur gestreift. Andernfalls hätte der Schlag ihr den Schädel zertrümmert. Aber er reichte auch so, um sie ins Taumeln zu bringen.
Asha Devi fluchte. Sie war ebenfalls in Bedrängnis. Ein Hüne hatte es geschafft, ihr die Arme auf den Rücken zu drehen. Und der Kerl ließ nicht mehr los, auch wenn sie noch so viel trat und biss.
Gleich mehrere Männer hoben ihre schweren Holzknüppel, um dem ungleichen Kampf ein Ende zu bereiten.
»Haltet ein!«, rief da der Alte, der die Frauen zuvor als Flussdämoninnen verleumdet hatte.
»Warum, o Reshtar?«, wollte einer der Männer wissen. »Diese Wesen sind Dämoninnen und daher todeswürdig!«
»Aber was, wenn wir uns täuschen?« Der Greis klang nun nachdenklicher.
»Na und?«, fragte der andere Mann brutal. »Es sind doch nur Frauen!«
»Ja, aber es ist etwas Geheimnisvolles an ihnen. Wir sollten sie fesseln und zu unserem König bringen. Er wird wissen, was mit ihnen geschehen soll!«
Nicole war durch den Schlag bereits halb außer Gefecht gesetzt. Es bereitete den Männern keine Mühe, sie ebenfalls zu packen und zu fesseln. Das Gleiche taten sie mit Asha, deren Kräfte nun auch erschöpft waren.
Nicole erinnerte sich daran, dass selbst im modernen Indien Frauen immer noch sehr wenig galten. Die Geburt einer Tochter kam in den meisten Familien einer Katastrophe gleich, während ein Sohn als Segen der Götter empfunden wurde. Verheiratete Frauen hatten nur noch für Mann und Kinder da zu sein. Selbst in den großen Metropolen wie Delhi oder Kalkutta gab es kaum Ausnahmen von dieser Regel.
Plötzlich sah Nicole Ashas Ruppigkeit mit anderen Augen. Wenn die Inderin nicht so biestig wäre, hätte sie es vielleicht nie geschafft, in ihrer Heimat und ihrer Zeit Polizeioffizierin zu werden.
Aber über solche Dinge konnte die Französin später philosophieren. Nun zählte erst einmal die momentane Lage. Und diese war jedenfalls nicht beneidenswert. Mit groben Hanfseilen wurden den beiden Frauen die Hände gefesselt. Die Männer zerrten ihre beiden Gefangenen aus dem flachen Wasser. Am Ufer wurden Nicole und Asha mit Fußtritten flussaufwärts gelenkt. Der Dämonen jägerin wurde klar, dass der Kahn mit Zamorra an Bord in die andere Richtung getrieben war, nämlich den Ganges hinab.
»Es war ein Fehler, dass ich mich mit Amateuren wie Zamorra und dir eingelassen habe!«, knurrte Asha Devi auf Englisch. »Ich löse meine Fälle immer noch am besten allein!«
»Ohne die Zeitringe des Chefs wärst du überhaupt nicht hier«, gab Nicole wütend zurück. »Und ohne die Illusionsbilder in unserem Gartenteich wüsstest du nichts von der
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